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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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von etwas dechiffriert … Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Botschaftspersonal EzRa einen Test machen ließ . Ich vermute, du weißt schon, es ist das erste Mal seit Gott weiß wie lange, dass es einen Botschafter aus dem Außen gibt, und sie bezweifeln, dass irgendjemand, der nicht mit dem Sprechen von Sprache aufgewachsen ist, überhaupt die Nuancen verstehen kann. Sie müssen diese Ernennung übelnehmen.«
    »Im Grunde sind sie alle ebenfalls Ernannte, vergiss das nicht«, entgegnete ich. Das war etwas, was dem Botschaftspersonal zu schaffen machte: Bei seiner Einreise hatte Wyatt, wie jeder Attaché, alle Botschafter formell lizenzieren müssen, damit sie für Bremen sprechen durften. »Wie dem auch sei, sie können Sprache sprechen? EzRa?«
    Ehrsul zuckte wieder mit den Schultern. »Die würden nicht hier sein, wenn sie durchgefallen wären.«
    Etwas geschah im Raum. Ein Gefühl … ein Moment, als es ungeachtet der Geselligkeit plötzlich unerlässlich wurde, das Augenmerk auf etwas zu richten. So war es jedes Mal, wenn Gastgeber in einen Raum traten, so wie sie jetzt die Halle der Diplomatie betreten hatten.
    Die Partygäste versuchten, nicht unhöflich zu erscheinen. Als ob es für uns möglich wäre, unhöflich zu ihnen zu sein, als ob die Gastgeber die Höflichkeit nach Maßstäben betrachten würden, die irgendeinen Sinn für uns ergäben. Nichtsdestotrotz plauderten die meisten von uns weiter und begafften nicht die Neuankömmlinge.
    Eine Ausnahme bildete die Schiffsbesatzung. Die Leute hatten nie zuvor einen Ariekei gesehen und starrten sie direkt an. Auf der anderen Seite des Raums erblickte ich meinen Steuermann, und ich sah den Ausdruck auf seinem Gesicht. Einst hatte ich eine Theorie gehört. Es war ein Versuch, sich einen Reim auf die Tatsache zu machen, dass Menschen – egal, wie weitgereist und kosmopolitisch sie waren, egal, wie stark sich die biotische Rassenmischung in ihrer Heimat entwickelt hatte – sich beim ersten Anblick irgendeiner außerirdischen Spezies nicht unbekümmert geben können. Die Theorie lautet, dass wir fest mit dem Terre-Biom verdrahtet sind, dass also bei jedem flüchtigen Blick auf etwas, das nicht von unserer ursprünglichen Provinznest-Heimat abstammt, unsere Körper eines wissen: Wir sollten niemals so etwas zu Gesicht bekommen.

Einstmals, 2
    Ich war mir nicht sicher, wie Botschaftsstadt auf Scile wirken würde. Er kann nicht der erste Siedler aus dem Außen gewesen sein, der von einer Rückkehrerin mitgebracht worden ist, doch ich hatte niemals andere kennengelernt.
    Ich hatte eine lange Zeit auf Schiffen im Immer oder in Häfen auf Planeten verbracht, deren Tageslängen dem menschlichen Zeitgefühl abträglich waren. Durch meine Rückkehr war ich das erste Mal seit Tausenden von Stunden in der Lage, ohne tagesperiodische Implantate auszukommen und mich in einen tatsächlichen Sonnenrhythmus einzugewöhnen. Scile und ich passten uns auf traditionelle Weise den neunzehnstündigen ariekenischen Tagen an, indem wir unsere Zeit meistens draußen verbrachten.
    »Ich warne dich«, sagte ich zu ihm. »Es ist ein winziger Ort.«
    Ich erinnere mich jetzt mit wahrer Freude an jene Tage. Immer wieder erzählte ich Scile, was für ein Opfer ich brachte, indem ich zu diesem kleinen Nest zurückkehrte – aus dem Außen zurückzukommen und wieder hinabgespült zu werden! Doch ich war glücklicher, als ich es mir bei meiner Ankunft vorgestellt hatte, als ich in der äolischen Zone aus dem versiegelten Zug auftauchte und den Duft von Botschaftsstadt einatmete. Es fühlte sich an, als wäre ich wieder ein Kind, obwohl es nicht so war. Nichts ähnelte dem Zustand, ein Kind zu sein. Es ist nur Dasein. Später, wenn wir darüber nachdenken, verwandeln wir es in Jugend.
    In den ersten Tagen nach meiner Rückkehr, mit Ersparnissen unddem Schick einer Außenseiterin und Immer-Eintaucherin, prahlte ich. Ich gab wirklich an. Ich wurde mit Freuden von denen willkommen geheißen, die mich gekannt und nicht geglaubt hatten, dass sie mich jemals wiedersehen würden – und die die Nachricht von meiner Rückkehr in der vorangegangenen Flapo bezweifelt hatten.
    Ich war nicht reich, nicht nach irgendeinem ernsthaften Maßstab, doch meine Ersparnisse waren in Bremer Eumarks. Das war natürlich die Basiswährung von Botschaftsstadt, doch diese Art von Geld wurde nur selten gesehen: Da zwischen den Besuchen aus der Metropole jeweils dreißig oder mehr Kilostunden vergingen, mehr als ein

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