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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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letzten Botschafter im Raum, MagDa und EsMé. »Was geht hier vor sich?«, erkundigte ich mich bei ihnen.
    »Wir müssen …«, erwiderte eine der zwei EsMé. »Es ist …« »Alles ist unter Kontrolle.«
    »MagDa. Was geht vor sich?«
    Mag und Da, Es und Mé schauten, als ob sie im Begriff wären, etwas zu sagen. EsMé hatten mich niemals gemocht, hatten eine übliche Botschafter-Meinung über die zurückgekehrten Außengänger, Immer-Eintaucher, Floaker und so weiter. Dennoch zögerten sie.
    Zu meinem großen Entsetzen erschien Scile neben uns. Er blickte mir in die Augen, entweder gänzlich unbewegt oder er wusste seine Gefühle gut zu verbergen. »MagDa«, sagte er. »Du musst kommen und mit Ra sprechen.«
    Sie nickten, und ich verlor jenen Augenblick. Als alle fünf weggehen wollten, packte ich Scile am Arm. Ich schaute ihn mit teilnahmslosem Gesicht an, und er erwiderte meinen Blick in ähnlicher Weise. Es verwunderte mich kaum, dass er, was auch immer passierte, näher bei den Geschehnissen war als ich. Er hatte mit dem Personal zusammengearbeitet, er hatte mit Botschaftern unter einer Decke gesteckt. Sie waren immer so konzentriert darauf gewesen, Sprache zu benutzen, dass sie es nicht gewöhnt waren, über Sprache etwas zu lernen; und als sich die Dinge in Botschaftsstadt geändert hatten und es nützlich geworden war, über solche Fragen nachzudenken, waren sie, wie ich verstand, fasziniert von Sciles Theorien gewesen. Seine Arbeit hatte ihn nützlich werden lassen. Er hatte sicherlich mehr Aufgaben für das Personal der Botschaft erledigt als ich.
    »Also?«, fragte ich. Ich war nur ein wenig verblüfft über mein dreistes Selbst. Floakers taten, was sie tun mussten. »Was geht vor sich?«
    »Avvy«, entgegnete er, »ich kann es dir nicht sagen.«
    »Scile, weißt du, was gerade passiert?«
    »Nein. Ich weiß es nicht. Ich habe eine … Ich weiß es wirklich nicht. Das ist nicht, was ich erwartet habe.«
    In unserer Nähe stießen zwei Leute mit Weingläsern an. Es klang wie kleine Glocken. Die Musiker waren jetzt betrunken, und die Musik kam immer wieder vom Kurs. Dies war die einzige Gelegenheit für viele Einheimische, der Immer-Eintauchermannschaft zu begegnen, und sie machten sich das zunutze. Als ich sah, wie Paare und kleine Gruppen die Feier verließen, erinnerte ich mich an den geliehenen Sexappeal des Immer. Bei meiner Rückkehr hatte ich selbst davon profitiert: Ein paar Wochen war es wie ein Rausch gewesen.
    »Ich muss gehen«, erklärte Scile. »Sie brauchen mich.«
    Es nahm einen seiner Arme, Mé den anderen. Sicherlich wussten sie, dass die Beziehung zwischen Scile und mir schlecht war, und vielleicht kannten sie sogar den Grund. Ich bezweifelte, dass sie mit ihm schliefen. Sciles Affären waren kurz und zufällig. Obwohl alle Bremer Vermählungen in Botschaftsstadt legal waren, tendierten Ortsansässige dazu, sich auf exklusive, auf Eigentum basierende Modelle zu berufen. Ich war natürlich eifersüchtig auf Scile – allerdings auf das, was er geworden war, und darauf, welche Geheimnisse er wusste.
    Es war eine halbe Stunde bis zu meiner Wohnung. Ehrsul kam mit mir. Ich hatte zahlreiche Länder besucht, in denen fast jeder Einwohner ein privates Fahrzeug besaß. Doch die Straßen von Botschaftsstadt, mit Ausnahme der größten, waren dafür zu eng und oft auch zu steil. Für bestimmte Strecken gab es Alt-Tiere und ein paar bio-fabrizierte Kutschen, die von Rädern oder Profilreifen zu Beinen wechselten, wo es notwendig war. Doch die meisten Leute gingen zu Fuß.
    Botschaftsstadt war ein kleiner und überfüllter Ort, unser Bevölkerungswachstum eingeschränkt durch die Grenzen des Äoli-Hauchs. Sie war umschlossen von der Gastgeberstadt, ausgenommen an nördlichsten Punkt, wo die ariekenischen Ebenen begannen. Halblegales städtisches Wachstum wurde toleriert: notdürftige, an Wände genähte Räume, die wie Traufen über Gassen ragten und auf Dächern hochgezogen waren und die jederzeit wieder aufgegeben werden konnten. Die meisten Botschaftsmitarbeiter akzeptierten stillschweigend solche einfallsreichen Raummaximierungen. Hier und da gab es halb ausgebildete bio-fabrizierte Kleinteile und ein paar Hinterhof-Kreuzungen mit Terretech, die mit Glück zusammenhielten: gehütete Aspekte der Häuslichkeit.
    Über Botschaftsstadt wölbte sich die Botschaft, deren Grenzen sich bis zu jenen Ebenen erstreckten. Mit etwas über einhundert Metern war es das größte Gebäude, das wir hatten. Eine

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