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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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wunderbar«, hatte Scile gesagt.
    Tatsächlich fühlte ich mich irgendwie davon abgestoßen. Es war erstaunlich, dass die Ariekei überlebt hatten, in Anbetracht dessen, was die Sprache leisten muss. Dies, befand ich, war das, was Scile gemeint haben musste, und so stimmte ich ihm zu.
    Wenn es bei Evolution um Moral ginge, wären die Gastgeber auch unfähig geworden, Lügen zu hören, wie zwei Drittel der fabulösen Affen. Doch die Evolution ist mehr etwas Zufälliges und Schönes, sodass das nur für jene Wenigen der Fall war, die es schafften, sie auszusprechen, ihre eigenen kleinen Unwahrheiten. Ohne Unterstützung von signifizierten Dingen waren die Lügen von Sprache nur Geräusche für ihre eigenen Lügner. Die Biologie ist träge: WennMünder die Wahrheit sagen, warum sollten Ohren zwischen ihr und ihrem Gegenteil unterscheiden? Wenn definitorisch alles zutraf, was gesprochen wurde? Und aufgrund dieser Lücke in der Anpassung, obwohl oder weil sie nicht dazu geschaffen waren, sie zu sagen, konnten die Gastgeber Lügen verstehen. Und entweder glaubte man sie – Glaube war eine bedeutungslose Selbstverständlichkeit – oder, wo die Falschheit demonstrativ und der Punkt war, auf den es ankam, man erfuhr sie als irgendetwas schwindelerregend Unmögliches, das Gesagte als etwas Undenkbares.
    Ich bin es, der hier monoman ist: Es ist unfair zu unterstellen, dass alles, worum sich die Gastgeber kümmerten, Sprache war, aber ich kann einfach nicht anders. Dies ist eine wahre Geschichte, die ich erzähle, doch ich erzähle sie, und das beinhaltet bestimmte Dinge. Also: Die Gastgeber kümmerten sich um alles, aber vor allem um Sprache.
    Radikal und stur brachte surl  |  tesh-echer diese Lüge hinaus in die Welt: ein Erbrechen von Phonemen – wider sein eigenes Bewusstsein.
    Das Publikum war hingerissen. Wir waren Zeugen einer seltenen Vorführung geworden. Botschafter ArnOld war verwundert, Hasser verwirrt. Valdik und Scile waren fassungslos.

Neuere Zeit, 8
    Kedis und Shur’asi wurden zur Botschaft eskortiert. Die kleinen Vesp-Cams der Nachrichtensendungen erfassten sie.
    Mittlere Angestellte des Botschaftspersonals versammelten Troikas und Quads von der Kedis-Gemeinschaft und ein paar Denk-Kapitäne der Shur’asi. Fahrzeuge kurvten über unseren Dächern, Antennen und den Trägerbalken unseres Baus sowie über dem weißen Rauch aus unseren Kaminen. Eine Einstellung wurde in den Tagesberichten immer wieder gezeigt: ein junger Mitarbeiterdes Personals, der auf die Cam klatschte, durch die wir blickten. Er musste sehr angespannt gewesen sein, um so unprofessionell zu handeln.
    Die Nachrichtensendungen, sowohl die gesprochenen als auch die schriftlichen, waren perplex. Die meisten Einheimischen hatten bisher vielleicht noch gar keine Vorstellung von einer Krise gehabt, bis zu dieser Einbestellung unserer Außerirdischen. Die Plattformen, die sie zur Botschaft brachten, waren von Vögeln und faustgroßen Cams umschwärmt.
    Außerhalb von Botschaftsstadt schien sich das merkwürdige Muster von Winkeln und Bewegungen, das die Gastgeberstadt erfasst hatte, weiter auszubreiten.
    Ich versuchte, Ehrsul, RanDolph und Simmon anzurufen, kam aber zu niemandem durch. Nach einigem Zögern probierte ich es bei Wyatt, aber auch er antwortete nicht.
    Mein Handset enthielt immer noch die Nummern von Hasser, Valdik und mehreren anderen Similes. Viel Zeit war seitdem vergangen. Ich dachte darüber nach, einen von denen anzurufen. Was tut das jetzt schon? , dachte ich, aber ich unterließ es.
    Ich bin mir sicher, dass ich nicht die Einzige war, die sich so verhielt, aber ich hatte schon angefangen, mich auf das vorzubereiten, was auch immer es war. Ich kopierte Daten, die ich für wertvoll hielt, versteckte geschätzte Gegenstände und packte das Lebensnotwendige in eine Schultertasche. Ich war stets davon fasziniert gewesen, wie mein Körper manchmal handelte. Während ich spürte, wie ich mir den Kopf zermarterte, taten meine Gliedmaßen das, was notwendig war.
    Die Nacht kam, ohne dass ich es bemerkte, und der Äoli-Hauch war immer noch kühl. Ich erinnere mich, dass ich im entscheidenden Moment, da sich alles veränderte, Nachtvogelgeräusche und das Schnattern von einheimischen Tieren hörte. Es war noch nicht so spät, dass es keinen Verkehr mehr gab. Ich war überhaupt nicht müde. Es war schwierig, aus den Bildern von Botschaftsstadt, die ich mir anschaute, schlau zu werden. Die Nachrichtenprogramme liefennoch. Ein menschlicher

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