Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
Politik.
    In den Botschaftsgängen gesellte sich Ra, dieser unmögliche Nicht-Doppel, zu MagDa und mir. Mag und Da küssten ihn. Seine Gegenwart bedeutete, dass sich uns Leute näherten, die ihn verzweifelt um eine Fürsprache angingen. Er war so nett zu ihnen, wie er nur konnte. Ich hatte zu viele von Botschaftsstadt nach oben beförderte Messiasse gesehen.
    »Wie lange müssen wir weitermachen?«, fragte ihn eine völlig aufgelöste Frau.
    »Bis der Entsatz kommt«, antwortete er. So viele Zehntausende von Stunden, in denen wir das Lebensnotwendige improvisierten, während die Gastgeber nach EzRas Tönen verlangten.
    »Dann was?«, verlangte die Frau zu wissen. »Und dann was? Werden wir weggehen?«
    Niemand gab eine Antwort. Ich sah in die Gesichter von MagDa. Ich dachte daran, welches Leben sie im Außen erwarten würde.
    Entsatz-Mannschaften waren schon früher auf Welten angekommen, auf denen sich eine Katastrophe ereignet hatte. Keine Kommunikationstechnik konnte sie warnen; die Geschwindigkeit eines Immerschiffs ließ sich nicht übertreffen. Keine Mannschaft konnte wissen, was sie sehen würde, wenn sich ihre Türen öffneten. Es gab berühmte Fälle von Handelsfahrzeugen, die aus dem Immer auftauchten und nur Gebeinhaus-Anlagen auf einst gegründeten Kolonien vorfanden. Oder eine Krankheit oder Massenwahnsinn. Ich fragte mich, wie es für unseren ankommenden Kapitän sein würde, wenn er in unserem Orbit auftauchte, so nahe am ariekenischen Pharos, wie er oder sie es wagen konnte. Wenn wir Glück habenwürden, fände dieses Schiff eine Bevölkerung, die sich verzweifelt danach sehnte, ein Volk von Flüchtlingen zu werden.
    MagDa im Außen? CalVin? Oder sogar Mag und Da und Cal und Vin? Was würden sie tun? Und sie gehörten zu den Botschaftern, die am gefasstesten waren und am stärksten zusammenhielten. Bis dahin wären die meisten anderen in unterschiedlichen Graden auseinandergegangen.
    »Sie gehen in die Gastgeberstadt«, teilte mir MagDa mit, als wir alleine waren. Sie sprachen über Botschafter. »Jene von ihnen, die sich immer noch ein bisschen zusammenreißen können.« »Sie gehen hinein und finden Gastgeber.« »Solche, mit denen sie stets zusammengearbeitet haben.« »Oder sie … stehen nur zwischen Gebäuden.« »Und sie beginnen einfach zu reden.« Sie schüttelten ihre Köpfe. »Sie gehen in Gruppen aus zwei, drei oder vier Botschaftern und …« »… sie versuchen … sie versuchen nur …« »… zu erreichen, dass die Ariekei zuhören.« Sie blickten mich an. »Wir haben es selbst einmal versucht. Schon früh.«
    Doch die Ariekei hörten nicht zu. Sie verstanden und antworteten manchmal sogar. Doch stets gingen sie zurück und warteten auf EzRas Ankündigungen. Die Vesp-Cams kamen überallhin und ließen es nicht zu, dass Botschafter ihre Zusammenbrüche verstecken konnten. Ich hatte Filmmaterial über JoaQuin gesehen: Darauf heulten sie und redeten in Sprache , doch in ihrem Elend verloren sie ihren gemeinsamen Rhythmus, sodass der Ariekei, zu dem sie verzweifelt zu sprechen versuchten, sie nicht verstand.
    »Hast du von MarSha gehört?«, fragten MagDa. Ich hörte nichts in ihren Stimmen, was mich gewarnt hätte, dass sie im Begriff standen, etwas Schockierendes zu sagen. »Sie haben sich selbst umgebracht.«
    Ich hielt in meiner Arbeit inne. Ich stützte mich auf den Tisch und sah MagDa lange an. Ich konnte nicht reden und legte die Hand auf meinen Mund. MagDa beobachteten mich.
    »Es wird noch andere geben«, flüsterten sie schließlich.
    Wenn das Schiff kommen würde, dachte ich, könnte ich weggehen.
    »Wo ist Wyatt?«, fragte ich Ra.
    »Gefängnis. Direkt von Ez aus den Korridor hoch.«
    »Immer noch? Befragen sie ihn … eingehend … oder was?« Ra zuckte mit den Schultern. »Wo ist Scile?« Seit dem Beginn dieser ruinösen Zeit hatte ich ihn nicht gesehen, ihn nicht gehört und auch nichts über ihn, meinen Mann, gehört.
    »Weiß nicht«, antwortete Ra. »Sie wissen doch, dass ich ihn nicht wirklich kenne, oder? Stets war eine Menge Personal um uns herum, wenn wir sprachen … bevor all das passierte. Ich weiß noch nicht einmal, ob ich ihn wiedererkennen würde. Ich weiß noch nicht einmal, wer er ist, geschweige denn, wo er ist.«
    Ich stieg nach unten, vorbei an Suchenden, die einen Raum voller Papiere durchkämmten und nach nützlichen Sachen Ausschau hielten. Wir verbrachten viel Zeit mit Stöbern. Als ich mehrere Etagen weiter unten war, hörte ich jemanden meinen Namen

Weitere Kostenlose Bücher