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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Sinnlosigkeiten verkündeten: über die Farbe der Gebäude, die Tageszeit oder das Wetter. Danach waren sie wieder verzückt.
    »Verdammt fantastisch«, sagte ich zu jemandem. »Sie bilden eine gewisse Toleranz aus. Man sollte dafür sorgen, dass EzRa weiterhin einfallsreich sind.«
    Auf Trids und Flats schauten wir uns Nachrichtenprogramme an, die nach Kilostunden voller Gehaltlosigkeiten nun lernen mussten, über unseren eigenen Zusammenbruch zu berichten. Ein Sender schickte ein Äoli-tragendes Team mit Vesp-Cams in die Gastgeberstadt. Es wurde weder eingeladen noch ausgesperrt. Seine Berichte waren verblüffend.
    Wir waren nicht gewöhnt, ariekenische Straßen zu sehen, doch es gibt neue Freiheiten während eines Zusammenbruchs. Die Reporter drängten in die Gastgeberstadt, vorbei an geflochtenen Seilen, mit denen gasgefüllte Gastgeberzimmer angebunden waren, vorbei an Gebäuden, die vor ihnen zurückscheuten oder die sich wie Hexenhäuschen auf spindeldürren Extremitäten erhoben. Ariekei kreuzten unsere Bildschirme. Sie erblickten die Reporter, glotzten und liefen manchmal wie torkelnde Pferde herüber. Mit ihren Doppelstimmen stellten sie Fragen, doch keine Botschafter waren da, um ihnen zu antworten. Die Reporter kannten Sprache und übersetzten für die Zuschauer.
    »›Wo ist EzRa?‹« Das war es, was die Gastgeber fragten.
    Die Reporter waren nicht die einzigen Terre in der Gastgeberstadt. Ihre Vesp-Cams erfassten Männer und Frauen, die sich zwischen den launischen Häusern bewegten und Botschaftsanzüge trugen. Sie verlegten Kabel und Lautsprecher: Terretech, die in jener Umgebung irritierend aussah. Sie vergrößerten ein Netzwerk aus Megafonen und Kommunikas-Boxen. Vielleicht als Gegenleistung für unser Leben, für die Aufrechterhaltung unserer Energie, für Wasser, Infrastruktur und Bio-Fabrikate machten sie sich bereit, EzRas Stimme direkt in die Gastgeberstadt zu bringen.
    »Wir brauchen jetzt EzRa«, sagten EdGar. »Sie müssen auftreten. Das war unsere Abmachung.«
    »Mit ihnen oder den Gastgebern?«, fragte ich.
    »Ja. Allerdings mehr mit EzRa. Und das bedeutet: Wir brauchen Ez.«
    Er trank und nahm Drogen. Mehr als einmal verschwand er zu den Zeiten, wo er planmäßig in Sprache zu den Ariekei reden sollte, während Ra stumm und wartend zurückblieb. Es würde mich nichtbekümmern, falls sich Ez selbst umbrächte, doch wenn er dies täte, nähme er uns mit sich.
    »In gewisser Hinsicht sind sie wie normale Botschafter, oder?«, sagte ich. »Aufzeichnungen funktionieren? Also baut eine Bibliothek aus EzRas Reden auf, dann lasst das Arschloch machen, was er will. Lasst ihn sich zu Tode saufen.« Sie hatten bereits daran gedacht, doch Ez wollte nicht einwilligen. Selbst als Ra ihn darum bat und das Personal sowie die Wächter ihm drohten, sprach er mit seinem Botschafterkollegen immer nur eine Stunde zu irgendeiner Zeit. Wir konnten den seltsamen Ausschnitt auf Dat packen, doch er achtete darauf, dass man keinen Vorrat an Sprache von EzRa anlegen konnte.
    »Er weiß, dass er dann überflüssig sein würde«, stellte EdGar fest. »Auf diese Weise benötigen wir ihn weiterhin.«
    Selbst heruntergekommen, wie er war, und inmitten all des Schreckens dachte Ez mit skrupelloser Strategie. Ich war beeindruckt.
    Via Vesp-Cam sah ich, wie EzRas Stimme die ersten Male in jener zugedröhnten Stadt gespielt wurde.
    Die Gebäude waren tagelang unglücklich gewesen. Sie erzeugten und atmeten Dampf und stießen die bio-fabrizierten Parasiten ab, die sie selbst hervorgebracht hatten und die die ariekenischen Möbel waren.
    Schaut von der Botschaft aus hinaus, dorthin, wo die Gastgeberstadt beginnt: eine organische Aussicht – wie aufgetürmte Körperteile, und die Bewegung der Architektur war deutlich erkennbar. Der Makel hatte überall Fuß gefasst.
    Die Gastgeberstadt zuckte. Sie war angesteckt. Die Gastgeber hatten EzRas unmögliche Stimme gehört, hatten Energie von ihren Zellen genommen und Abfall hinausgelassen. Bei dem Austausch war die Chemie des Verlangens weitergegeben worden – und die kleinen Tiere reichten sie ihrerseits weiter, als sie sich an Gebäude anschlossen, um das Licht und die Angelegenheiten des Lebens mit Energie zu versorgen. Die Sucht hatte Einzug in die Häuser gehalten, deren bedauernswerte geistlose Existenzen sich im endlosen Entzugschüttelten. Diejenigen, die am meisten betroffen waren, schwitzten und bluteten. Ihre Bewohner bastelten ihnen primitive Ohren, um EzRa reden zu

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