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Stadt der Fremden

Titel: Stadt der Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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rufen. Ich hielt an. Es war Cal oder Vin, im Eingang zu einem Treppenhaus. Er versperrte mir den Weg und starrte mich an.
    »Ich habe gehört, du wärest hier in der Nähe«, sagte er. Er war allein. Ich legte die Stirn in Falten. Sein Alleinsein dauerte an. Er nahm meine Hände. Es war Monate her, seit wir zuletzt gesprochen hatten. Weiterhin hielt ich um ihn herum Ausschau und runzelte die Stirn. »Ich weiß wirklich nicht, wo er ist«, fuhr er fort. »In der Nähe, da bin ich mir sicher. Bald wird er hier sein. Ich habe gehört, du wärest hier.«
    Er war derjenige, den ich eigentlich hatte wecken wollen. Er blickte mit einer Verzweiflung, die mich schaudern ließ. Ich schaute nach unten, um seinen Augen auszuweichen, und bemerkte dann etwas, das ich kaum glauben konnte.
    »Du hast dein Verbindungselement abgeschaltet«, stellte ich fest. Seine Lichter waren aus. Ich starrte darauf.
    »Ich habe nach dir gesucht, weil …« Ihm versagten die Worte, doch die Stimme erreichte mich. Ich berührte seinen Arm. Plötzlich blickte er so sehnsüchtig drein, dass ich nicht anders konnte, als ihn zu bemitleiden.
    »Was ist mit dir passiert?«, fragte ich. Für mich war es schonschlimm genug, doch die Botschafter waren schlagartig zu nichts geworden.
    In dem Gang hinter ihm tauchte sein Doppel auf. »Du redest mit ihr ?«, entfuhr es ihm. Er versuchte, seinen Bruder zu ergreifen, der jedoch seine Augen nicht von mir nahm und seinen Doppel abschüttelte. »Komm schon.«
    Sie waren nicht angeglichen. So wie bei MagDa konnte ich Unterschiede erkennen. Sie stritten sich leise, und dann wich der Neuankömmling zurück.
    »Cal.« Der erste Mann – die Hälfte, die mich ausgesucht hatte – blickte auf mich und sagte: »Cal.« Er zeigte auf seinen Bruder am anderen Ende des Korridors. Dann stieß er mit dem Daumen gegen die eigene Brust. »Vin.«
    Ich wusste, sein sehnsüchtiger Blick galt nicht – oder galt nicht bloß – mir. Ich begegnete seinem Blick. Vin ging rückwärts, um sich seinem Bruder anzuschließen. Mehrere Sekunden lang schaute er mich an, bevor er sich umdrehte.

12
    Ich reiste in die Gastgeberstadt, mit MagDa und Personalmitarbeitern als Teil einer Gruppe, die sich bemühte, eine gelähmte Botschaftsstadt am Leben zu erhalten. Der Äolius, den ich trug, verströmte Luft, die ich einatmen konnte, und so spazierte ich schließlich in jene Umgebung hinein. Wir konnten es nicht wagen, mit Rabenvögeln zu fliegen: Die vorhandenen Systeme, die eine sichere Landung gewährleisteten, waren jetzt zu oft nicht in Betrieb.
    Wir konnten nicht länger warten: Unsere bio-fabrizierte medizinische Ausrüstung, unsere Lebensmitteltechnik, die lebenden Wurzeln und Röhren unseres Wassersystems benötigten eine ariekenische Wartung. Und ich glaube, es gab auch etwas in uns, das weiterhin untersuchen musste, was gerade geschah. Wie mythischePolarforscher oder die Pioniere der homo diaspora stapften wir in Formation dahin, und dabei trugen wir noch Handelswaren.
    Die Architektur zitterte, als wir kamen; wie zu Keimen in einem Körper verhielten sie sich zu uns. Ariekei erblickten uns. Sie murmelten, und MagDa sprachen zu ihnen. Oft reagierten sie in einer Weise, die vermuten ließ, dass sie kaum von unserer Anwesenheit wussten. Wir waren nicht relevant. Wir gingen an den Lautsprechern vorbei, bei deren Platzierung das Botschaftspersonal geholfen hatte; und obwohl sie im Augenblick schwiegen, gab es um jeden von ihnen Ansammlungen von Ariekei. Diese waren am stärksten weggetreten: Während sie dort auf weitere Töne warteten, flüsterten sie miteinander und zu den Lautsprechern und wiederholten, was auch immer sie als Letztes von EzRa gehört hatten.
    Ra musste nun Ez durch drängendes Geschwätz und Drohungen zu ihren Auftritten bewegen. Ez wurde inzwischen wie ein launisches Kind mit Rizinusöl und Zucker behandelt, und eine Konzession war, dass er innerhalb der Grenzen, die von den Erfordernissen des Tauschhandels gesetzt wurden, entscheiden durfte, was sie redeten. Wenn EzRa während einer unserer Aufenthalte in der Gastgeberstadt sprachen, hörten wir es unvermeidlich auch. Gott weiß, was Ra dachte, wenn er diese Plattitüden sagte, mit denen Ez sein Publikum betrunken machen wollte.
    Ich fühlte mich stets anders als die anderen um mich herum, wiederholten die ariekenischen Zuhörer. Wir spazierten an einem vielstimmigen Flickwerk von Ez’ Ego vorbei. Sie hat mich niemals verstanden … so war ich jetzt an der Reihe … Es

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