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Stadt der Lügen

Stadt der Lügen

Titel: Stadt der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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gut Glück hatte er ein Drehbuch gekauft, das von sämtlichen Agenturen der Stadt abgelehnt worden war. Es handelte sich um eine ziemlich deftige Komödie über zwei Polizisten namens Cash and Carrie, deren Darsteller, die bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich im Fernsehen aufgetreten waren, schnell berühmt wurden. Unglücklicherweise hatte Artie zur Finanzierung des Films ziemlich ungünstige Verträge abschließen müssen. Sein Profit fiel daher mager aus. Anschließend hatte er ein Vielfaches seiner Einnahmen in einen anderen Streifen investiert, der nach ähnlichem Schema aufgebaut war – und floppte.
    Dennoch war seine Karriere alles in allem recht ansehnlich verlaufen. Vor einigen Monaten hatte er überraschend schmerzlos seinen sechzigsten Geburtstag gefeiert und festgestellt, dass man sich in diesem Alter dem Tod viel weniger nah fühlt, als man sich das im Überschwang der Jugend gemeinhin einbildet. Er verfügte über Energie und Erfahrung und machte sich nur selten Feinde. Manchmal dachte er, dass ihm vielleicht etwas weniger Friedfertigkeit den Antrieb verliehen hätte, aus seinem Leben etwas ganz Besonderes zu machen.
    »Etwas weiter nach vorn bitte, Mr Fleischman.« Die Assistentin des Radiologen berührte ihn sanft am Ellbogen. Das Gerät summte.
    »In dieser Stadt«, hatte einmal jemand zu ihm gesagt, »muss man dankbar sein, wenn man mit Dieben und Lügnern arbeiten darf. Die Alternative wäre die Arbeit mit völligen Idioten.«
    Zwar hatte Artie über den Satz lächeln müssen, aber er fand die Aussage übertrieben. Auch im Filmgeschäft gab es eine Menge vernünftiger Menschen. Warum auch nicht? Der einzige Unterschied zum Rest der Welt bestand darin, dass in ihnen ein Quäntchen mehr Leidenschaft brannte. Hilfsbuchhalter in einer Schuhfabrik oder einem Ingenieurbüro zu sein, war eine Sache – den selben Job bei Außenaufnahmen für einen Film zu machen, bedeutete etwas ganz anderes. Im Filmgeschäft konnte man immer noch aus dem Nichts kommen, irgendwo anfangen, das Geschäft erlernen, reich und berühmt werden und vielleicht sogar einen Filmstar heiraten. Andere Jobs, mochten sie noch so toll erscheinen, boten erheblich dürftigere Aussichten.
    »In Ordnung«, sagte der Radiologe. »Sieht alles sehr gut aus. Sie können sich wieder anziehen.«
    Es war das Ende der alljährlichen Routineuntersuchung, die den Mitgliedern von Arties Krankenkasse automatisch zustand. Er hatte sich keine Sorgen darum gemacht, denn er wusste, dass er in ausgezeichneter Form war. Genau genommen hatte er sich körperlich niemals wohler gefühlt. Er ging in die Umkleidekabine, zog das mit einem Monogramm bestickte Hemd und den Seidenanzug an und band die sorgfältig ausgewählte Krawatte um. Seine Schuhe waren handgearbeitet. Sie stammten aus Italien. So wie er hatten sich Produzenten in der Vergangenheit immer gekleidet, und so sollte es seiner Meinung nach auch sein. Selbst wenn er jünger gewesen wäre, hätten ihn die Jeans und Bomberjacken nicht gereizt, die in den letzten Jahren in Hollywood Mode geworden waren. Zwar hatten Spielbergs, Geffers und ihresgleichen Milliarden auf der Bank, aber sie kleideten sich wie kleine Jungs auf dem Weg zum Fußballplatz. Im Vergleich zu ihnen pflegte Artie zwar einen deutlich bescheideneren Lebensstil, doch sein Outfit stand dem der Mogule der Vergangenheit in nichts nach. So war er nun einmal. Er konnte einfach nicht so tun, als gehöre er der Generation an, in der die Produzenten mit Pferdeschwänzen herumliefen.
    Im Grunde wusste Artie genau, dass er ein Produkt der vierziger und fünfziger Jahre war. In dieser Zeit war er von der Magie ergriffen worden. Er wuchs mit Filmen von Hitchcock und Billy Wilder auf. Seine Helden hießen Cooper, Cagney, Steward und Fonda. Er lachte über Hope und Crosby, Abbot und Costello, Martin und Lewis. Mithilfe von Sinatra und dem Nelson Riddle Orchestra legte er die ersten Mädchen flach. Rhonda Fleming hieß die Frau seiner Träume, und die Titanen seiner ersten Jahre in Hollywood waren Kirk und Burt und der große John Wayne. Die Zeiten und die Filme, die damals entstanden, setzten für ihn die Norm, nach der er alle späteren Werke beurteilte. Er empfand sich deswegen durchaus nicht als altmodisch, denn er wusste, wovon er redete. Die Struktur einer Story hatte sich nicht verändert, auch wenn man inzwischen mit Spezialeffekten ganze Galaxien sehr wirklichkeitsnah in die Luft sprengen konnte und Dinosaurier über die Leinwand

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