Stadt der Lügen
des Studios hätte nichts Besseres zu tun, als auf seinen Anruf zu warten? Man würde ihn wie immer durch eines der jüngeren Vorstandsmitglieder abwimmeln lassen, das ihm zähneknirschend fünf Minuten zwischen zwei wichtigen Besprechungen widmete. Menschen wie Artie, dachte sie, während sie wählte, schienen einfach nicht zu merken, wann das Spiel aus war und sie besser nach Hause gehen sollten. Und dann nahm sie sich vor, sich möglichst bald ernsthaft nach einem anderen Job umzusehen.
»Was soll das heißen: Ned Ross hatte keine Zeit, dich zu treffen? Was bildet sich dieser kleine Blödmann eigentlich ein?«
Mollys Entrüstung rührte daher, dass Ned Ross während ihrer ersten Ehejahre mit Artie für ihren Mann gearbeitet hatte. »Ohne dich hätte er in diesem Geschäft nie Fuß fassen können.«
»Ich weiß. Und Ned weiß es auch«, stimmte Artie müde zu. »Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass er jetzt Studiochef ist und ich nicht.«
»Es ändert aber auch nichts an der Tatsache, dass er sich keinen Zacken aus der Krone brechen würde, wenn er ein wenig höflicher wäre.«
»Molly, zum hunderttausendsten Mal: Es hat nichts mit persönlichen Gefühlen zu tun. Lass dich nie von Freundlichkeit blenden, aber mach dir auch nichts aus Zurückweisung. In diesem Geschäft geht es darum, wen du brauchst oder wer dich braucht. Wenn du an der Reihe bist – freu dich. Und wenn nicht – sei kein Spielverderber. Das Rad dreht sich eben im Kreis.«
»Dazu kann ich nur sagen, dass dein Rad sich im Augenblick ziemlich langsam dreht.« Molly stapelte die Teller und trug sie durch das offene Wohnzimmer in die Küche. Artie lehnte sich zurück und trank einen Schluck kalifornischen Cabernet. Ihr Haus lag oben in einem schmalen Sträßchen in North Doheny. Der Ausblick auf die Lichter von Los Angeles wurde durch ein paar Hügel und einige Häuser gestört, die in den letzten Jahren aus dem Boden gestampft worden waren, doch die Aussicht war immer noch angenehm. Er brauchte sich nicht zu schämen, wenn er Leute zu Besprechungen oder zum Essen einlud. Für große Partys stellten sie Hilfskräfte ein. Ansonsten kam Doris dreimal in der Woche. Früher war sie an fünf Tagen gekommen, aber das Geld war knapp, und Doris freute sich über etwas weniger Arbeit. Molly schien es nicht zu stören.
Artie nahm ein paar Schüsseln und brachte sie in die Küche. »Molly, wichtig ist einzig und allein, dass Ned das Drehbuch liest, und nicht, ob er meinen Anruf entgegennimmt oder sonst was. Er wird es lesen, und ich glaube, es wird ihm gefallen. Ich kenne ihn seit vielen Jahren und weiß, wo seine Vorlieben liegen. Ich kenne sämtliche Filme, die er gedreht hat, und die, die er noch machen will. Dieses Drehbuch ist ein wahres Geschenk für ihn.«
»Und die anderen, die im Studio etwas zu sagen haben? All diese Zwölfjährigen in ihren Joggingschuhen? Gibt es in Seitensprünge für ihren Geschmack nicht viel zu wenig zu Schrott gefahrene Autos und Schießereien?«
»Ned ist der, der entscheidet. Und wenn es ihm nicht gefällt, kann ich immer noch woanders hingehen. In unserem Vertrag geht es nur um die Erstvorlage.«
Für Molly klang es so, als bereite sich Artie auf eine Enttäuschung vor, aber sie sagte nichts dazu. Jetzt war Donnerstagabend. Am Montag würde das Verdikt des Studios vorliegen. »Hättest du Lust, übers Wochenende zu verreisen?«, fragte sie. »Joan und Mike fahren nach Palm Springs und würden sich freuen, wenn wir mitkämen.«
»Ich weiß nicht, ob mir das dieses Wochenende wirklich passt. Ich muss noch ein paar Dinge überarbeiten.« In Wahrheit war Artie nicht gern mit Leuten zusammen, wenn er nervös auf eine Entscheidung wartete. »Du kannst aber ruhig fahren. Ich bleibe hier.«
Molly wusste nur allzu gut, was in Artie vorging. Wenn er dieses Wochenende damit verbrachte, alte Projekte zu durchstöbern, über neue Pläne nachzudenken, zwei und zwei zusammenzuzählen und zu hoffen, es würde fünf herauskommen, böte ihm das die Möglichkeit, sich zu überzeugen, dass die Zukunft doch noch einiges für ihn bereithielt. Es würde den Schlag mildern, falls Seitensprünge am Montag abgelehnt würde.
»Eigentlich hast du Recht«, sagte Molly. »Mir ist auch nicht nach Wüste.« Sie sah ihm in die Augen und kniff ihn sanft in die Wange. »Außerdem wollte ich zu Kelly und ihr beim Einrichten der neuen Wohnung helfen.«
Kelly war Mollys Tochter aus erster Ehe, eine quicklebendige
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