Stadt der Lügen
einziehen können, aber ich hätte dich gern in der Nähe. Ich denke, wir beide werden in den kommenden Jahren viel zusammenarbeiten. Allein dein Drehbuch bietet genügend Stoff für mindestens zwei Sequels. Darüber wollte ich mit dir reden.«
Während des restlichen Mittagessens diskutierten sie das Skript und die möglichen Sequels. Artie genehmigte sich ein zweites Glas Wein und einen doppelten, extrastarken, nicht entkoffeinierten Espresso. Als er in sein Büro zurückfuhr, fühlte er sich, als wäre er zwanzig Jahre alt und hätte das ganze Leben noch vor sich.
Becky reichte ihm eine Liste mit zwanzig Anrufern, die alle auf seinen Rückruf warteten. Den ganzen Nachmittag kam das Telefon nicht zur Ruhe. Die Nachricht hatte die Runde gemacht.
Lars Hanssen war Schwede und gebaut wie ein Schwergewichtsboxer. Er begegnete jedem freundlich, bewegte sich langsam und hatte absolut keinen Sinn für Humor. Das war insofern überraschend, als er für die Regie der drei erfolgreichsten Komödien der vergangenen Jahre verantwortlich zeichnete.
»Lustig ist nicht lustig«, pflegte Lars zu sagen. »Das Geheimnis liegt darin zu versuchen, nicht lustig zu sein. Das ist lustig. Ein Mann, der in ein Loch fällt, ist nicht lustig. Wenn er aber um das Loch herumgeht, sich dabei für besonders schlau hält und dann in einen Graben plumpst, das ist lustig.« Doch Lars selbst konnte auch darüber nicht lachen. »Lustige Leute lachen nicht«, sagte er. »Lustige Leute machen lustige Dinge, das Publikum lacht. Die wirklich lustigen Leute haben viel zu viel damit zu tun, nach Löchern zu suchen, um die man herumgehen kann.«
Die Theorie war zwar etwas zweifelhaft, aber niemand nahm Anstoß an Lars Hanssens Ausführungen. Das wirklich Lustige war, dass im Gegensatz zu dem Eindruck, den Hanssen im Gespräch vermittelte, seine Komödien wirklich subtil inszeniert waren und einem Vergleich mit Lubitsch, Sturges oder Billy Wilder durchaus standhielten. Entzückt registrierte Artie, dass Hanssen schon nach der ersten Lektüre seine Zustimmung gegeben hatte, den Film zu machen.
»Wissen Sie, was ich denke?«, fragte Lars überschwänglich. Sie saßen im riesigen Wohnzimmer seines weitläufigen Hauses am Mulholland Drive. »Ich finde, wir sollten den Ed von Greg Warren spielen lassen. Greg wäre die ideale Besetzung für Ed.«
Du lieber Himmel, dachte Artie, das bedeutete mindestens zwölf Millionen Dollar plus einen prozentualen Anteil ab dem ersten eingespielten Dollar. Aber der Mann war diesen Preis wert. Greg Warren galt als einer der wenigen Schauspieler, die einen Film weltweit interessant machen konnten und für den man vom ersten Spieltag an vor dem Kino Schlange stand.
»Wir könnten es versuchen«, sagte er. »Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass er Nein sagt.«
»Er sagt bestimmt nicht Nein«, verkündete Lars voller Überzeugung. »Wenn er Nein sagt, dann schmeiße ich ihn eigenhändig aus dem Fenster.«
Wie sich zeigen sollte, bedurfte es solcher Drohungen nicht. Greg Warren war in der Stadt – gerade von seiner Ranch in Wyoming oder seinem Penthouse in der Park Avenue eingeflogen – und traf sich mit Artie in einem vom Studio zur Verfügung gestellten Büro. Er trug ausgelatschte Cowboystiefel, uralte Jeans, eine zerknautsche Tweedjacke und eine Armbanduhr, die höchstens zehn Dollar gekostet hatte. So zeigten Schauspieler der restlichen Welt, wie wenig Wert sie selbst ihrem Reichtum und ihrer Macht beimaßen.
»Ein tolles Drehbuch, Artie«, sagte er und trank einen Schluck Diätcola aus der Dose. »Deshalb mache ich es auch. Aber wissen Sie, warum ich mich freue, dass es ein so tolles Drehbuch ist und ich die Rolle spielen darf? Ich freue mich«, sagte er, beugte sich vor und pikste mit dem Zeigefinger gegen Arties Brust, »weil Sie es machen. Ich freue mich darauf, mit Ihnen zu arbeiten, Artie.«
»Sehr nett von Ihnen, Greg. Es macht mich stolz, so etwas zu hören.« Artie wusste noch sehr gut, wie man solche Szenen spielte. Zwar war er in Bezug auf berühmte Schauspieler ein wenig aus der Übung, aber im Grunde veränderte sich nie etwas wirklich.
»Ich wollte Sie an etwas erinnern, Artie. Etwas, was vor langer Zeit geschehen ist und was Sie sicher längst vergessen haben.«
Artie spürte, wie ein leichtes Unbehagen in ihm aufflackerte. Er hatte keine Ahnung, worauf der Star hinauswollte.
»Vor zehn Jahren«, dröhnte Warren, »haben Sie einige Kinder für die jugendliche Hauptrolle in Stone
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