Stadt der Lügen
wenn es so weit war. Er drückte ihre Hand.
»Einverstanden«, sagte er. »Wenn du ihn nett findest, dann soll er mich eben besuchen.« Sie erwiderte den Händedruck und brachte ein winziges Lächeln zu Stande. Aus irgendeinem Grund war ihr Mr Fleischman sympathisch gewesen. Alles, was er gesagt hatte, schien ihm wirklich von Herzen zu kommen. Sein kurzer, freundschaftlicher Besuch hatte ihr in diesen traurigen Tagen sehr gut getan.
Zwei Stunden später saß ein untersetzter, elegant gekleideter Mann mit zurückgekämmtem, lichtem Haar und nachdenklichen Augen auf Lindas Platz an Teds Bett. Er schien sich ein wenig unbehaglich zu fühlen.
»Warum sagen Sie nicht einfach, was Sie von mir wollen, Mr Fleischman«, brach Ted das Schweigen. »Ich weiß, dass das Labor ein paar Tage lang unsere Daten verwechselt hat, aber das macht uns noch lange nicht zu Brüdern. Wie sind Sie überhaupt an meinen Namen gekommen?«
Artie lächelte entschuldigend. »Ich habe ein paar Leute geschmiert. Das Krankenhaus fürchtet, ich könne es verklagen, aber ich glaube, das dürfte unter den gegebenen Umständen nicht ganz leicht sein. Was ist mit Ihnen? Haben Sie eine Klage in Erwägung gezogen?«
»Der Anwalt meiner Gewerkschaft sagt zwar, dass es möglich wäre, sich aber vermutlich über Jahre hinziehen würde. Mit Sicherheit würde es Linda nicht helfen. Außerdem mag ich keine Anwälte.«
»Das haben Sie mit der restlichen Menschheit gemeinsam.« Artie lächelte nervös. »Nein, Sie haben Recht – ich glaube auch nicht, dass die Anwälte uns wirklich weiterbringen.«
»Und warum sind Sie dann hier? Meine Frau sagt, Sie sind Filmproduzent. Wollen Sie einen Film über mich drehen oder was?«
»Um Himmels willen, nein!« Artie lachte leise auf. »Ehrlich gesagt weiß ich selbst nicht genau, warum ich hier bin.« Er machte eine Pause. »Vielleicht, um mit einigen Dingen ins Reine zu kommen.«
»Und zwar?« Teds harte Augen schienen unbeeindruckt. »Schließlich bin ich derjenige, der mit sich ins Reine kommen muss – nicht Sie. Sie sind ein glücklicher Mensch. Sie konnten Freund Hein ein Schnippchen schlagen – da muss man sich doch wunderbar fühlen.« Seine Stimme klang bitter.
»Nein, ich fühle mich durchaus nicht wunderbar.«
»Sollten Sie aber«, schimpfte Ted. Er zeigte seinen Ärger jetzt offen. »Wenn Sie nicht zu schätzen wissen, dass Sie weiterleben dürfen, sind Sie es weiß Gott nicht wert!«
Stumm und beschämt saß Artie neben dem Bett. Schließlich wagte er einen neuen Ansatz. »Aus irgendeinem Grund dachte ich, ich sollte Sie besuchen kommen. Es war nichts Rationales, nur ein Gefühl. Ich hatte den Eindruck, dass das Schicksal eine Verbindung zwischen uns geschaffen hat. Vielleicht habe ich mich geirrt. Tut mir Leid. Ich wollte nicht in Ihr Privatleben eindringen.«
Er stand auf und ging zur Tür. Ted Long sah ihm nach. In seinem Innern stritten widersprüchliche Gefühle. Dieser Mann aus Hollywood faszinierte ihn – ein Mann, der ihn unbedingt besuchen wollte und ihm dann nichts zu sagen hatte.
»Warten Sie«, hörte er sich plötzlich sagen. Seine Stimme klang nicht mehr verärgert, nur noch schwach. »Ich hätte nicht so unfreundlich sein sollen. Schließlich hätten Sie nicht zu kommen brauchen. Ich glaube, ich weiß, was Sie meinen, und wahrscheinlich wäre es mir an Ihrer Stelle ebenso ergangen. Nur hätte ich mich vermutlich nicht getraut, einen Hollywood-Produzenten anzusprechen.«
Artie wandte sich um. »Es ist durchaus nicht so toll, wie es sich anhört.« Er ging zum Stuhl zurück und setzte sich. »Was ist Ihr Beruf, Mr Long? Ihre Frau sagte etwas von Brandbekämpfung.«
»Ich bin Lagerist. Wir stellen – also ich meine, die Firma – stellt jede Art von Ausrüstung zur Feuerbekämpfung her, von normalen Feuerlöschern für den Hausgebrauch bis hin zu den chemischen Lösungen, die man für Schaumteppiche bei Notlandungen benötigt. Längst nicht so aufregend wie das Filmgeschäft.«
Artie machte eine abwehrende Geste. »Es ist ein Geschäft wie jedes andere auch.«
»Welche Filme haben Sie denn produziert? Vielleicht kenne ich den einen oder anderen.«
Da war sie, die unausweichliche Frage, der Augenblick, auf den Artie immer gefasst war. Er spulte die mittelmäßige Liste einigermaßen erfolgreicher und um Haaresbreite gefloppter Filmtitel herunter. Die meisten Leute kannten nicht einen einzigen davon, und Ted Long war keine Ausnahme, obwohl er sich erinnerte, dass seine Kinder Cash
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