Stadt der Lügen
solche Spielchen.«
»Zu Recht.«
»Sie verabreden, sich ein Jahr später auf der Spitze des Empire State Buildings zu treffen, wenn sie noch das gleiche Gefühl füreinander haben. Er ist als Erster da, und sie wird von einem Taxi angefahren, als sie zu ihm will. Er wartet den ganzen Tag und glaubt, sie habe ihn vergessen.«
Er betrachtete seinen unbeweglichen Körper und seinen rechten Arm im Gipsverband. »Ich fürchte, ich muss die Rolle von Deborah Kerr übernehmen.«
Als er sich wieder Amanda zuwandte, erkannte er, dass sie es sehr ernst meinte.
»Gut«, sagte er, »ich mache einen Gegenvorschlag zu deinem Gegenvorschlag.«
»Und zwar?«
»Wir warten nur sechs Monate und treffen uns auf halber Höhe des Empire State Buildings.«
Sie dachte nach. »Sechs Monate, aber auf der Spitze.«
»Empire State ist zu abgedroschen. Das hatten wir alles schon. Außerdem: Was machen wir, wenn es Sturm gibt und die Plattform geschlossen wird?«
Wieder dachte sie nach. »Am Pier von Malibu.«
»Drei Monate.«
Sie schüttelte den Kopf. »Sechs.«
»Einverstanden«, erklärte er und bedauerte, die Absprache nicht mit einem Handschlag besiegeln zu können.
Sie stand auf. »Die Ärzte sagen, in ein paar Wochen bist du wieder draußen und so gut wie neu.«
»Amanda?«
Sie war schon auf dem Weg zur Tür, drehte sich aber noch einmal um.
»Was wirst du in der Zwischenzeit tun?«
»Das geht dich nichts an.«
»Wirst du … arbeiten?«
Sie zögerte mit der Antwort. »Frag mich bitte nicht danach. Und noch etwas …«
Sie wandte sich vollständig um und sah ihn voll an. »Wenn du versuchst, mich zu finden, mir nachspionierst oder dich mit meiner Familie oder irgendwelchen Freunden in Verbindung setzt, ist es aus und vorbei. Klar?«
»Klar.«
»Gut.«
Sie setzte sich wieder in Bewegung. An der Tür hielt sie inne, blickte sich um und sagte lächelnd:
»Sehen Sie sich vor, wenn Sie die Straße überqueren, Miss Kerr.«
Singender Geist
Es gibt ein Sprichwort, man solle vorsichtig sein, mit dem was man sich wünscht, weil es wahr werden könnte.
Ruhm, Reichtum, Schönheit und Jugend – das alles habe ich einst besessen. In rauen Mengen. Ich war das, was jeder junge Mensch gerne wäre. Und jetzt? Wenn Sie ein paar Minuten Zeit haben, erzähle ich Ihnen alles.
Ich jedenfalls habe alle Zeit der Welt …
Mein Dad ging von der Schule ab und suchte sich einen Job in einem Stahlwerk in Cleveland, Ohio. Er war der irrigen Meinung, erwachsen zu sein und eigenes Geld zu verdienen, sei gleichbedeutend mit Freiheit und Unabhängigkeit. Nach weniger als einem Jahr hatte das Leben ihn eines Besseren belehrt; er musste lernen, dass Sklaven nicht unbedingt angekettet sind, und brannte nach Westen durch, ohne zu wissen, ob er schließlich in Kalifornien landen würde oder bereits unterwegs das fand, wonach er suchte. Nicht, dass er gewusst hätte, wonach er suchte. Er war der Überzeugung, er würde es schon merken, wenn es ihm über den Weg lief.
Er versuchte sich in allen nur möglichen Versager-Jobs: Er arbeitete in Bars und Vergnügungsparks und nahm so gut wie jede zufällig anfallende Arbeit an. Irgendwo unterwegs traf er auf meine Mom, schwängerte sie und heiratete. Ich lernte meine Großeltern erst sehr spät kennen. Sie waren ausgesprochen religiös und sittenstreng und machten mich sehr traurig. Jedenfalls war es kein Wunder, dass meine Mom, die noch ein halbes Kind war, nichts Eiligeres zu tun hatte, als von zu Hause wegzukommen. Mein Dad muss ihr wie ein strahlender Ritter auf seinem Schlachtross vorgekommen sein, der durch die Stadt ritt und sie in ein Leben voller Romantik und Abenteuer entführen wollte. Erst später stellte sich heraus, dass damit ein bescheidenes Dasein in einem Trailer Park in Long Beach gemeint war, meinem ersten Zuhause.
Meine Eltern hatten keinerlei eigene Ambitionen im Showbusiness. Sie gingen wie alle anderen auch von Zeit zu Zeit ins Kino und dachten, dass sie das, was da oben auf der Leinwand zum Besten gegeben wurde, durchaus selbst hätten machen können – aber sie wussten auch verdammt gut, dass sie eine solche Chance nie bekommen würden; Leute wie sie hatten nicht das Zeug zum Star. Mein Vater arbeitete ab und zu als Aufpasser auf bewachten Parkplätzen. Eines Tages musste er ein Auto zu einer großen Party in Beverly Hills bringen. Das Haus gehörte einem bekannten Produzenten. Mein Vater kannte viele der Anwesenden aus dem Fernsehen oder vom Kino. Auch ein
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