Stadt der Lügen
neuerlichen Arbeiten an der Nase, die wiederum eine Anpassung der Wangenimplantate sowie das Abhobeln eines Knochens irgendwo am Auge erforderten.
Es war ein langer, aufwändiger und manchmal schmerzhafter Prozess und dauerte fast drei Jahre. Jedes Mal, wenn ich in der Öffentlichkeit erschien – sei es für ein Konzert, einen Film oder auch nur zu Werbezwecken – sah ich ein wenig anders aus. Natürlich ertönte aus einigen Ecken die übliche Meckerei, aber das war ebenso unwichtig wie unvermeidlich. Auch wurde mehrfach ungefragt Kritik laut, speziell von Angehörigen der medizinischen Berufe; dies vor allem, als sich nicht nur mein Gesicht, sondern dank des wohl überlegten Einsatzes von Wachstumshormonen und Steroiden auch mein Körper zu verändern begann. Ich wurde deutlich größer und muskulöser, während mein Gesicht die edle Symmetrie einer Renaissance-Statue aufwies.
Die Fans waren natürlich begeistert. Sie verstanden, dass ich in mein eigenes Image hineinwuchs und nicht mehr nur das Ergebnis zufällig angeordneter Gene und chemischer Prozesse war. Ich tat das, was sie von mir erwartet und erhofft hatten. Meine Popularität wuchs in schwindelnde Höhen. Schon lange galt ich als Phänomen; jetzt gab es kein Wort mehr, das meine Stellung im Showgeschäft hätte adäquat beschreiben können.
Von meinem Vater hatte ich mich endgültig getrennt. Die Tatsache, dass ich ihn nun um Haupteslänge überragte, veränderte nach und nach unsere Beziehung. Ich sehnte mich nicht mehr insgeheim nach seiner Zustimmung, hatte aber auch keine Angst mehr vor seiner Verachtung. Endlich war ich in jeder Hinsicht ein größerer Mann als er.
Zum endgültigen Bruch kam es eines Nachmittags, als ich zusammen mit einigen Architekten und Städteplanern über den Entwürfen zu einem öffentlichen Themenpark in Orange County saß. Eigentlich gab es für Dad keinen Grund, zu dieser Besprechung zu erscheinen. Wahrscheinlich hatte er gerade nichts Besseres zu tun. Außerdem war er betrunken, was ihn offenbar zu der obszönen und verletzenden Bemerkung veranlasste, die das letzte Bindeglied zwischen uns zerstörte.
Wir sprachen gerade über die geplante Höhe des Turms, der das Eingangstor zum Park bilden sollte. Der Turm würde die Form meines neu modellierten Kopfes mit meinem lächelnden Mund als Eingang erhalten. Gerade sprachen wir darüber, ob der Mund im Erdgeschoss liegen sollte – was den Verlust des Kinns bedeutet hätte – oder ob die Besucher ein paar Stufen erklimmen sollten, um ihn zu erreichen. Ich stimmte für die zweite Lösung, denn ein Kopf ohne Kinn – zumal wenn es um ein so perfekt geformtes Kinn wie meines ging – würde irgendwie unnatürlich wirken.
Ohne ersichtlichen Grund und offenbar nur, um eine kurze Gesprächspause zu füllen, fragte mein Vater plötzlich, warum wir die ganze Geschichte nicht umdrehten und die Besucher durch eine ganz andere, viel tiefer gelegene Körperöffnung in den Park schickten; seiner Meinung nach bevorzugte ich ohnehin diese Art der Annäherung.
In der folgenden, erschrockenen Stille hörte man nichts als ein paar scharfe Atemzüge. Alle Augen wandten sich furchtsam in meine Richtung. Ich stand auf, richtete mich zu voller Größe auf und erklärte, dass meine Verantwortung gegenüber Millionen anständiger junger Leute solche vulgären Äußerungen in meiner Gegenwart nicht zuließe. Dann kündigte ich an, dass ich den Raum für einige Minuten verlassen würde und erwarte, bei meiner Rückkehr »diesen Herrn« nicht mehr vorzufinden.
Ich fand ihn nicht mehr vor. Seither habe ich nie wieder von meinem Vater gehört.
Bei dieser Gelegenheit fiel mir auf, dass ich meine Mutter seit einiger Zeit sträflich vernachlässigt hatte, und traf Vorkehrungen, sie zu besuchen. Sie war inzwischen mit einem Zahnarzt verheiratet und lebte bescheiden in Tarzana. Der Mann war sehr religiös, und auch sie war in gewisser Weise zu der frommen Haltung ihrer Kindheit zurückgekehrt. Als die sieben schwarzen Limousinen mit meinem Gefolge vor ihrem Haus vorführen, war ich der Meinung, sie müsse erregt und beeindruckt reagieren. Doch stattdessen blickte sie mich nur bestürzt an. »Warum so viele Leute?«, fragte sie.
Ich erklärte ihr, dass ich, wo ich ging und stand, auf meine Bodyguards angewiesen war und auch meiner Assistenten bedurfte, um jederzeit mit den unterschiedlichen Aspekten meiner Interessen- und Arbeitsgebiete in Kontakt zu sein. Natürlich brauchte ich auch meinen eigenen
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