Stadt der Lüste
wollte Emma weder Sonia noch Jane aufbürden, und Emma konnte dies gut verstehen. Vom Alter her war sie Sonia und Jane näher als die jüngeren Mitarbeiter, und jeder erwartete von ihr einen gewissen Ehrgeiz. Damit stellte sie in den Augen der alteingesessenen Angestellten eine Bedrohung dar.
»Ich muss euch nun leider verlassen«, verkündete Ed plötzlich theatralisch.
Ian, der hinter Nicola stand, suchte Emmas Blick, tippte auf seine Armbanduhr und formte mit den Lippen die Worte »zehn Minuten«. Und tatsächlich erklärte zehn Minuten später auch Nicola, dass sie jetzt aufbrechen würde. Ian lächelte, fragte schelmisch, ob er sie bis zur U-Bahn-Station begleiten sollte, und genoss es ganz offensichtlich, als sie sein Angebot mit einer hastig gestammelten Erklärung ablehnte.
Die Gruppe löste sich auf. Als Catherine sagte, sie würde sich ebenfalls auf den Heimweg machen, war es, als hätte sie damit auch Jane und Sonia die Erlaubnis erteilt, zu gehen. Die drei verließen den Pub im Gänsemarsch, angeführt von Catherine.
»Sieht ganz so aus, als wären nur noch wir beide übrig, Kleines«, sagte Ian.
»Vielleicht haben sie uns ja absichtlich allein gelassen.«
Emma beschlich das unangenehme Gefühl, dass sie Ian würde enttäuschen müssen.
»Du hast vorhin Eds Frage nicht beantwortet. Bist du Single?«, fuhr er fort.
Das Gefühl wurde zu einer Gewissheit. Ian baggerte sie an. Emma überlegte, wie sie es ihm möglichst schonend beibringen konnte.
»Als Einstandsfeier für dich war das eher schlapp, und der Abend ist noch jung. Sollen wir irgendwo etwas essen gehen?«
»Ian …«
»Ich weiß«, unterbrach er sie, und sie wusste, dass er es ernst meinte. »Aber lass mich wenigstens für eine Weile so tun, als ob.«
»Ich treffe mich mit jemandem«, sagte sie.
»Verdammt«, entfuhr es ihm, aber er klang weder verärgert noch am Boden zerstört. »Willst du damit sagen, dass du aufgehört hast zu essen?«, fragte er.
»Wie bitte?«
»Wir könnten doch trotzdem zusammen etwas essen gehen. Wir müssen ja nicht gleich heiraten. Ich lade dich auch ein.«
Emma lachte.
»Na gut.«
»Ich bringe dich sogar nach Hause«, sagte er, und in seiner Stimme schwang erneut Hoffnung mit.
»Das bezweifle ich«, sagte sie und erwiderte seinen Blick. Er grinste sie an, und plötzlich dachte Emma darüber nach, wie er wohl nackt aussah. Wie würde sich dieser knackige kleine Hintern ohne Kleidung machen? Stopp, bis hierher und nicht weiter, ermahnte sie sich, konnte den Gedanken jedoch nicht ganz abschütteln.
»Na ja, vielleicht ein kleines Stückchen«, sagte sie und hoffte, dass sie sich selbst über den Weg trauen konnte.
Neun
Als Ed einen Gang hochschaltete, ruckelte das kleine Auto kurz, rollte dann aber anstandslos weiter die Straße entlang Richtung Chelsea, wo Emma und Ed eine Wohnung ausmessen sollten. Während der Fahrt machte Ed mehrere zweideutige Bemerkungen über »Messlatten« und die »richtige Größe«, die Emma höflich ignorierte.
Sie fragte sich, welche Wirkung er damit zu erzielen glaubte. Seine Arroganz im Beruf wurde wirklich nur noch von seiner Selbstzufriedenheit auf sexuellem Gebiet übertroffen. Ob er auch nur die leiseste Ahnung hatte, dass er ihr in beidem nicht ansatzweise das Wasser reichen konnte?
»Wie lange bist du schon bei Lomax, Ed?«
»Zweieinhalb Jahre. Das ist wirklich die seltsamste Branche, in der ich je gearbeitet habe. Man ist förmlich abgeschnitten von der wirklichen Welt. Aber man trifft eine Menge interessanter Leute, nicht die üblichen Langweiler.«
Emma lauschte dem rollenden R und dem weichen Upper-Class-Akzent, der die Worte miteinander verschmelzen ließ. Wie viele junge Männer mit seinem sozialen Hintergrund schien auch Ed nie die Nerven zu verlieren und in jeder Lage Ruhe und Gelassenheit zu bewahren.
»Entschuldige«, sagte er grinsend, als seine Hand beim Schalten ihr Bein streifte.
»Sei nicht albern«, entgegnete sie und legte ihre Hand auf sein Knie. Sie drückte kurz zu und beobachtete dabei sein Gesicht, um seine Reaktion abzuschätzen. Zum ersten Mal sah sie ein Anzeichen von Zweifel in seiner Miene, einen kleinen Riss in der sonst so lässigen Fassade.
»Du scheinst dich sehr gut mit Nicola zu verstehen«, sagte sie.
Er warf ihr einen skeptischen Blick zu.
»Sie ist ein nettes Mädchen. Ich mag sie.«
»Ist sie schon lange in der Agentur?«, fragte Emma, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
»Erst seit acht Monaten. Oder nein,
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