Stadt der Lüste
es müssen schon neun sein.«
»Sie ist verheiratet, oder?«
»Ja.«
Eine knappe, barsche Antwort. Emma lächelte in sich hinein.
»Du aber nicht, oder, Ed?«, hakte sie mit zuckersüßer Stimme nach.
»Nein.«
Eine ebenso knappe Antwort.
»Erzähl mir etwas über die Wohnung«, sagte sie und beendete damit das heikle Thema »Nicola«.
»Ich kenne den Kunden, er ist schon länger bei uns, aber diese Wohnung habe ich noch nie gesehen. Vermutlich hat er sie für eine Geliebte angeschafft und will sie jetzt über uns diskret wieder loswerden. Auf so etwas sind wir spezialisiert. Wir verkaufen die Wohnungennicht wahllos. Catherine hat für gewöhnlich irgendwelche Hintergedanken.«
»Wirklich? Mir kommt sie recht offen und geradeheraus vor.«
»Du arbeitest ja auch noch nicht lange bei Lomax, Emma. Wahrscheinlich würdest du Catherine nicht verstehen. Sie kann ziemlich schwierig sein. Man muss wissen, wie man sie anzupacken hat. Aber das gehört nicht hierher.«
»Was ist denn mit ihr?«, fragte Emma.
»Ich glaube, dass sie im Grunde keine Ahnung hat, was sie tut. Sie profitiert von den Kontakten ihres Mannes, besitzt aber keinerlei Geschäftssinn. Sie sollte unsere Arbeit in der Firma ein bisschen mehr würdigen. Glaubst du, dass es bei den Vermietungen ohne mich überhaupt noch laufen würde?«
»Du hast es ja selbst gesagt, Ed, ich bin noch nicht lange genug dabei, um das einschätzen zu können.«
»Sieh dir Dominic und Tony beim Verkauf an. Du meine Güte, das sind vielleicht zwei Nichtsnutze! Ich könnte sowohl die Vermietungen als auch den Verkauf übernehmen«, prahlte er.
»Und was ist mit Malcolm?«, warf sie ein.
»Malcolm ist doch schon längst jenseits von Gut und Böse. Er hat kein Interesse mehr an seiner Arbeit. Er würde am liebsten für den Rest seines Lebens in seinem Garten herumwerkeln. Eigentlich sollte ich Abteilungsleiter werden. Ich bitte Catherine demnächst mal um ein Gespräch. Es wird Zeit, dass sie erfährt, was bei Lomax falsch läuft.«
»Und was läuft falsch bei Lomax?«, fragte Emma.
»Was genau? Alles! Guck dir doch bloß mal die alten Trottel an, die sich um die Auslandsgeschäfte und die Verwaltung kümmern. Sonia sollte endlich kapieren, dass sie da ist, um uns zu unterstützen, nicht, um uns Steine in den Weg zu legen.«
»Ich verstehe«, entgegnete sie.
»Wir sind da«, sagte Ed unvermittelt und schien das Interesse an den Problemen von Lomax mit einem Schlag verloren zu haben.
Er steuerte den Wagen vor die Einfahrt einer Tiefgarage und tippte einen Sicherheitscode auf ein Zahlenfeld ein, woraufhin das Gittertor nach oben glitt. Nachdem sie das Auto abgestellt hatten, fuhren sie mit dem Aufzug in den sechsten Stock und betraten einen vornehmen Flur mit nur zwei Türen. Emma stellte sich absichtlich ein wenig zu nah neben Ed, so nah, dass es ihm unangenehm werden musste. Für einen Augenblick war nur ihrer beider Atem zu hören.
Ed fummelte mit dem Wohnungsschlüssel herum. Er wirkte nervös und schien immer zappeliger zu werden, je näher Emma ihm kam. Sie stand jetzt so dicht neben ihm, dass sie sein Aftershave riechen konnte, und auch einen Hauch von Seife oder Duschgel. Sie legte ihre Hand auf seine, nahm ihm den Schlüssel ab und steckte ihn mit einer geschmeidigen Bewegung ins Schloss. Dann öffnete sie die Tür.
In der großen, unmöblierten Wohnung war es totenstill. Emma hatte im Portfolio gelesen, dass sie über vier Zimmer verfügte, zwei davon mit eigenem Bad. Das Licht der Vormittagssonne warf helle Streifen auf den Teppich. Die Stille schien Eds Nervosität noch zuverstärken. Er blätterte verlegen in ein paar Unterlagen und machte dazu eine Miene, als müsse er wichtige Entscheidungen treffen.
»Wo fangen wir an?«, fragte Emma.
»Im Schlafzimmer?«
Sie kicherte.
Für den Bruchteil einer Sekunde grinste er anzüglich, doch dann begann er offenbar nachzudenken, woraufhin das Grinsen einem ziemlich beunruhigten Gesichtsausdruck wich. Der Punkt geht an mich, dachte Emma.
»Entschuldige. Das sollte keine Anspielung sein. Ich wollte sagen, dass wir im Schlafzimmer mit der Vermessung anfangen können.«
Emma betrachtete seine runden Wangen und sein langes, mit ein wenig Gel zurückgekämmtes schwarzes Haar. Ed war ein Widerspruch in sich, ein Mann wie aus einem anderen Zeitalter, der auf einmal mit edlen Schuhen, Nadelstreifenhose, Hemd und einer dunkelblauen Barbourjacke im Flur eines Penthouse in Chelsea stand. Kaum zu glauben, dass er erst
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