Stadt der Masken strava1
Heirat Albani hieß, kam mit ihren Anhängern, ihrem frisch geba
ckenen Ehemann und dem Botschafter von der anderen Seite. Ein Murmeln ging durch die Menge. Der Senator war eine hinreichend bekannte Gestalt und einige erkannten das Mädchen, das wegen Hochverrats vor Gericht gestanden hatte, doch es wusste keiner mehr, wer die Hebamme war. Und der Kandidatin der di Chimici trug es nicht gerade Sympathie ein, mit dem Botschafter zusammen ge
sehen zu werden, dessen Vorhaben mit Bellezza inoffiziell wohl bekannt war.
Der Wahlleiter sprach mit Rodolfo und stand dann auf.
»Bürger von Bellezza«, rief er aus. »Wir haben zwei Kandidatinnen. Die eine, Francesca Albani, ist durch Heirat mit unserem Ratsmitglied hier Bellezzanerin.
Die andere, Arianna Gasparini, ist gebürtige Bellezzanerin. Beide Kandidatinnen werden euch von ihren Anhängern vorgestellt.«
Rinaldo di Chimici erhob sich und wandte sich an die Menge. Seine Rede war einfallslos. Er hatte nicht viel Zeit damit zugebracht, sie vorzubereiten, denn er hatte seiner Meinung nach genug Bellezzanern genug Silber zugesteckt, um das Wahlergebnis sicherzustellen, das er wünschte. Auch lenkte ihn die Neugier der Leute bezüglich der zweiten Kandidatin ab. Was zum Teufel glaubte der Senator da eigentlich zu veranstalten? Der Tod der Duchessa musste ihm den Verstand geraubt haben.
Es gab spärlichen Applaus, als di Chimici sich setzte, der jedoch enthusiastischer wurde, als sich Rodolfo erhob. Die Leute wollten hören, was er zu sagen hatte.
»Meine Mitbürger«, sagte er, »wir haben alle zusammen gelitten.« Ein zustimmendes Seufzen ging durch die Menge. »Wir haben jemanden verloren, den wir liebten, jemand, den wir auf lange Zeit nicht ersetzen zu müssen glaubten. Mancher mag sagen, dass unser Verlust nicht wieder gutzumachen ist. Und in vielerlei Hinsicht würde ich dem zustimmen. Doch aus der Verzweiflung ist Hoffnung erwachsen. In der Dunkelheit ist ein Schimmer des neuen Morgens zu sehen. Die Duchessa ist nicht kinderlos gestorben.«
Das verursachte Staunen unter der Menge. Di Chimici brach der Schweiß aus, als ihm seine Kusine einen boshaften Blick zuwarf. Rodolfo machte sich bereit fortzufahren und die Menge verstummte, gespannt auf seine nächsten Worte.
»Diese junge Dame hier, noch keine sechzehn, hat bereits beweisen müssen, dass sie eine Bellezzanerin ist, um dem Vorwurf des Hochverrats zu entgehen, den man ihr hinterhältig angehängt hatte. Jene Dame, Signora Landini, hat vor dem Rat unter Eid bezeugt, dass sie Arianna von einer bellezzanischen Edelfrau entbunden habe, ehe sie sie zur Familie Gasparini nach Torrone brachte, wo sie in Pflege kam. Sie wird euch nun den Rest der Geschichte erzählen.«
Die betagte Hebamme warf einen besorgten Blick auf die Menge, die mit jeder Minute angewachsen war und nun die ganze Piazza füllte.
»Die Mutter des Kindes war die Duchessa von Bellezza. Ich habe das Kind dort im Palazzo entbunden«, sagte sie und deutete hinüber, »und habe es dann zu der Schwester der Duchessa, Valeria Gasparini, auf die Insel Torrone gebracht.
Dieses junge Mädchen, geboren vor beinahe sechzehn Jahren, ist die leibliche Tochter der verstorbenen Duchessa!«
Die Menge geriet in Aufruhr. Es bedeutete nichts, dass ihre Duchessa nicht ganz so gewesen war, wie sie geglaubt hatten, dass ihr Kind geheim gehalten worden war – jetzt, wo Arianna auf der Bühne stand, hoch erhobenen Hauptes, ihre schlanke Figur ein Ebenbild ihrer Mutter, ihr veilchenblauer Blick unbeirrbar auf die Stadt gerichtet, jetzt wurde sie zur bevorzugten Wahl eines jeden echten Bellezzaners.
Sie hörten kaum hin, als Rodolfo erklärte, er werde sie als Regent unterstützen, wenn Arianna gewählt würde. Sie stürzten sich auf den Tisch, riefen ihre Namen und griffen nach den schwarzen Kieseln aus der entsprechenden Kiste. Einige Bürger warfen di Chimici in aller Öffentlichkeit ihr Bestechungssilber wieder zu.
Schon gegen Mittag mussten die Beamten um weitere schwarze Kiesel schicken, während die Kiste mit weißen Steinen voll blieb. Vor Rinaldo di Chimici wuchs der Haufen mit Silberstücken an, an dem er jedoch geflissentlich vorbeisah.
Als sich die beiden Kandidatinnen für das Amt der Duchessa zur förmlichen Auszählung in den Ratssaal begaben, zischte Francesca ihrem Cousin zu: »Besorge mir eine Scheidung!«
Auf dem Platz blieben die Münzen unberührt auf dem Tisch liegen. Niemand in Bellezza wollte daran erinnert werden, dass er vielleicht
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