Stadt der Masken strava1
die Stadt sogar noch besser. Sie war nicht sauber, natürlich nicht, aber sie war irgendwie frischer, die Gebäude waren neuer und die ganze Stadt war lebhafter und voller Hoffnung.
Jedenfalls war sie das bis zu der Katastrophe mit der Duchessa gewesen.
Wieder überlegte Lucien, wie nützlich es sein würde, einen Doppelgänger für all die schwierigen Dinge zu haben, denen man ausweichen wollte. Dem Tod zum Beispiel als endgültigstem Schicksalsschlag. Bei der Duchessa hatte es ja geklappt. Er stützte die Arme auf die steinerne Balustrade von einer der kleinen Brücken, blickte in das trübe Wasser hinunter und dachte an das Gespräch mit seinen Eltern nach der Diagnose.
Dad hatte hartnäckig versucht die Lage zu leugnen, indem er zuversichtliche Prognosen stellte, von denen Lucien sicher war, dass er nicht wirklich an sie glaubte. Aber Mum, klein und tapfer, wurde von einer neuen Empörung angestachelt, die Lucien noch nie an ihr erlebt hatte.
»Wir müssen ihm helfen, David«, hatte sie gesagt und war sich mit den Händen durch die dunklen Locken gefahren, die den ehemaligen von Lucien so ähnlich waren. »Lucien, wir müssen über die Möglichkeit reden, dass das zweite Mal nicht so gut abläuft.«
»Ich weiß, Mum«, hatte er so ruhig wie möglich gesagt. Aber sie schafften es nicht. Nicht zu dem Zeitpunkt. Sie verschoben das Gespräch auf einen anderen Tag und Lucien war nach Bellezza geflohen, sobald es ihm möglich gewesen war, indem er gesagt hatte, er wolle gern früh ins Bett.
Sein Morgen mit Rodolfo hatte einen neuen Beigeschmack. Die drei Stravaganti verbrachten ihre Zeit damit, sich zu überlegen, ob Arianna wohl als Duchessa kandidieren würde. Silvia wohnte noch bei Leonora, in völliger Sicherheit im Herzen der Stadt versteckt, die sie für tot hielt.
Rodolfo war absolut außer sich. »Silvia will, dass ich bekannt gebe, dass Arianna ihre Tochter ist. Dann soll ich mich als stellvertretender Regent anbieten. Wie es scheint, ist Ariannas Alter der einzige Hinderungsgrund, warum sie nicht gewählt werden könnte, wenn die Leute die Geschichte ihrer Herkunft glauben.«
»Aber Sie wollen es nicht tun?«, fragte Lucien.
Sie saßen gemeinsam im spätsommerlichen Sonnenschein auf dem Dachgarten.
Dethridge schaukelte in der Hängematte, während Lucien und Rodolfo auf einer der Marmorbänke saßen. Rodolfo sah seinen Lehrling jetzt ernsthaft an.
»Ich kann nicht so einfach darüber sprechen«, sagte er. »Vor allem nicht mit jemand, der so jung ist wie du. Ich will dich nicht verletzen, aber es spielen gewisse Herzensangelegenheiten mit, vor denen ich dich noch einige Jahre verschont hoffe. Silvia hat nicht gefragt, ob ich willens bin, diese Last auf mich zu nehmen oder nicht; sie hat einfach angenommen, dass ich ihren Wünschen nachkomme.
So ist unser Leben seit zwanzig Jahren verlaufen, vor allem während des letzten Jahres. Und sie weiß, dass jeder wahre Bellezzaner alles tun würde, um seiner Stadt zu helfen. Wenn es irgendeine andere junge Frau wäre! Aber das Kind eines anderen Mannes zu unterstützen…«
Er brach ab, sprang auf und lief in einer Weise, die Lucien an ihr erstes Zusammentreffen erinnerte, die geflieste Terrasse auf und ab.
»Ja, es ist ein bitter Ding, ein untreues Eheweib zu haben«, sagte Dethridge. Rodolfo blieb abrupt stehen.
»Was die Dame ja gar nicht ist«, fügte der Dottore hastig hinzu. »Aber die Qual Eures Herzens ist genauso schlimm. Ihr solltet sie um das befragen, was Ihr wissen wollt.«
Lucien war überrascht. Er begriff die beiden Männer nicht, die doch so viel älter und weiser waren als er. Und er wusste auch nicht, ob Dethridge aus eigener Erfahrung sprach. Er hatte bisher noch nie von seiner Frau geredet, die er nie mehr wieder sehen würde, genauso wenig wie von seinen Kindern.
Jetzt bemerkte er, dass Rodolfo ihn ansah. »Luciano!«, sagte sein Meister, kam auf ihn zu und nahm Luciens Hand in seine beiden. »Ich habe mich schlecht verhalten! Inmitten meiner Sorgen hatte ich ganz vergessen, dass in deiner Welt ein wichtiges Ereignis für dich stattgefunden hat. Erzähle mir, was geschehen ist, als du im Spital warst.«
Lucien hatte sich schon vor der Frage gefürchtet, aber es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden. »Keine gute Nachricht«, sagte er. »Es geht mir wohl wieder schlechter.«
Dethridge sprang rasch aus der Hängematte und beide Männer nahmen ihn stumm in die Arme. Sie hatten Tränen in den Augen und Lucien
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