Stadt der Masken strava1
Verwirrung.«
»Was geschah mit ihrem Gesicht?«, fragte Lucien, obwohl er die Antwort eigentlich gar nicht wissen wollte.
»Niemand bekam es jemals wieder zu sehen«, sagte Arianna düster. »Von da an trug sie in der Öffentlichkeit immer eine Maske. Und sie erließ das Gesetz, dass alle unverheirateten Frauen über sechzehn ebenfalls Masken tragen mussten. Ich nehme an, sie dachte, dass junge Mädchen und verheiratete Frauen keine Konkurrenz für sie waren. Sie war vor ihrem Unfall angeblich sehr eitel gewesen.
Und sie ließ auch die Senatoren und Räte Masken tragen, wenn Senat und Stadtrat tagten. Ich weiß nicht, warum.«
»Damit die Reden und Begründungen selbst ins Gewicht fallen, nicht der Stand oder Ruf der Redner«, erklärte Leonora nachsichtig.
»Puh!«, sagte Arianna. »Als ob man Senator Rodolfo nicht gleich erkennen würde, selbst wenn er über seinen großen schwarzen Augen eine Maske tragen würde!«
»Aber warum wird so eine Maske jetzt ausgestellt?«, wollte Lucien wissen. »Warum hat der Glasmeister noch eine gemacht?«
»Die Duchessa verlangte es von ihm«, sagte Arianna. »Und dann« – und hier legte sie eine dramatische Pause ein, ehe sie fast schon mit diebischem Vergnügen fortfuhr – »ließ sie ihn umbringen!«
»Also, wirklich, Arianna!«, sagte Leonora. »Das ist nie bewiesen worden.«
Arianna warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Na gut. Am Tag, nachdem die zweite Maske in der Öffentlichkeit hier auf Merlino ausgestellt wurde, wurde der Glasmeister ganz zufällig von einer heftigen Übelkeit befallen, die ganz danach aussah, als sei er vergiftet worden. Er starb unter größten Schmerzen.«
Lucien wollte es nicht gerne zugeben, aber Ariannas Deutung der Geschichte klang überzeugend. Vielleicht waren ja alle Duchessas rücksichtslose Egomaninnen; vielleicht ging das nicht anders.
»Was geschah mit dem jungen Prinzen?«, wollte er wissen.
»Er starb ebenfalls«, sagte Leonora. »An einem Fieber.«
Arianna drehte sich erstaunt um. »Das hab ich nicht gewusst! Bestimmt steckte auch da die Duchessa dahinter.«
»Schon möglich«, sagte Leonora. »Oder vielleicht auch einer ihrer Höflinge. Oder er hatte womöglich tatsächlich nur ein Fieber. Bellezza hatte damals noch ein sehr ungesundes Klima – eine Folge der alten Sümpfe, auf die die Stadt gebaut war.«
»Diese ganze Maskengeschichte hat also vor hundert Jahren angefangen?«, fragte Lucien. »Sie stammt nicht von der gegenwärtigen Duchessa?«
»Nein«, erwiderte Arianna. »Vor dem Unfall trugen die Menschen sie nur am Karneval. Aber die jetzige Duchessa könnte etwas daran ändern. Schließlich ist es nur ein Gesetz, wie das mit den Mandoliers. Sie macht ständig neue Gesetze.«
»Ich wage zu behaupten, dass sie einen guten Grund hat, dieses Gesetz nicht zu ändern«, sagte Leonora. »Du wirst dich schnell daran gewöhnen, eine Maske zu tragen, Arianna. Und wie du weißt, wird in der Lagune jung geheiratet. Ich selbst habe nur zwei Jahre eine Maske tragen müssen.«
Sie erhoben sich und klopften sich die Krümel von den Kleidern. »Kommt, wir suchen nach meinen Brüdern«, sagte Arianna.
Sie gingen ans Ufer hinunter und liefen über den Kies, bis sie an die Stelle kamen, wo die Fischerboote festgemacht waren. Der Gestank war furchtbar. Fischer saßen herum und aßen zu Mittag. Der Morgenfang war gesäubert und verkauft und den Nachmittag brachten sie damit zu, ihre Netze zu flicken oder andere Dinge zu tun, während sie auf die abendliche Fahrt warteten.
Lucien konnte nicht ein Fischerboot vom nächsten unterscheiden und selbst die Fischer sahen in seinen Augen sehr ähnlich aus, aber Arianna rannte schnurstracks auf zwei Männer zu, die sie auffingen und kräftig umarmten.
Lucien blieb etwas verschüchtert mit Leonora zurück, bis Arianna sie herwinkte und vorstellte. Er mochte die Brüder sofort; sie waren dunkelhäutig und herzlich und hatten einen festen Händedruck. Ganz offensichtlich beteten sie ihre kleine Schwester an und freuten sich sie zu sehen.
»Was sind das alles für Knochen oder Gräten?«, fragte Lucien nach einer Weile, als ihm die kleinen weißen Haufen dicker Fischbeine auffielen, die am Strand herumlagen und an denen die Fischer herumschnitzten.
»Das sind die Gebeine des Merlino-Fisches, die ans Ufer gespült werden«, sagte Tommaso und machte das Zeichen der Glückshand. »Die sind mehr wert als jeder lebende Fisch, den wir fangen.«
»Man macht Dolche daraus«, erklärte
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