Stadt der Masken strava1
»Sie versuchen bereits seit fast einhundert Jahren die Lagune zu erobern.«
»Aber Sie führen doch keinen Krieg miteinander? Ich meine, der remanische Botschafter ist doch hier und auch er ist ein Chimici«, sagte Lucien.
»Krieg nicht direkt, nein«, erwiderte Rodolfo. »Seit jenem Vorfall mit der Glasmaske hassen wir uns gegenseitig – du hast wohl schon von der Geschichte gehört? –, aber alles läuft ganz zivilisiert ab. Es hat wohl ein paar Giftmorde gegeben oder jemand ist erstochen worden. Aber richtigen Krieg gibt es nicht. Das ist nicht die Art, die die Chimici bevorzugen. Sie sind in Talia mächtig geworden durch Komplotte, politische Heiraten und Hinterlist.«
»Stimmt es, dass die Duchessa den Glasmeister vergiftet und den remanischen Prinzen dann hat töten lassen?«, wollte Lucien wissen.
Rodolfo zuckte mit den Schultern. »Kann schon sein. Zu so etwas wäre eine Duchessa durchaus fähig. Die Herzoginnen von Bellezza sind gefährliche Gegnerinnen. Sie bewachen ihre Stadt mit Klauen und Zähnen. Auch Silvia würde keinerlei Mitleid kennen, wenn jemand versuchen würde ihr Bellezza zu entreißen.«
»Aber der Prinz hatte doch nur mit ihr getanzt«, warf Lucien ein. »Ich meine, mit der Duchessa von damals.«
»Und hat sie dabei rein zufällig stolpern lassen, während sie die Glasmaske trug?«, gab Rodolfo zu bedenken.
»Könnte doch sein. Und dann der Glasmeister! Er wollte ihr doch kein Leid zufügen – er hatte die Maske auf ihre Anordnung gemacht. Warum hat sie ihn vergiftet?«
»Sein Werk hat ihre Schönheit zerstört. Und sie stand für Bellezza. Es war, als hätte einer den Dom zerstört«, sagte Rodolfo. »Alle Bellezzaner denken so. Es hätte sie bestimmt nicht schockiert.«
»Aber Sie können so etwas doch nicht gutheißen, oder?«, fragte Lucien.
»Im Grunde nicht«, sagte Rodolfo. »Er war nämlich einer meiner Vorfahren, musst du wissen. Viele meiner Feuerwerksmuster beruhen auf seinen Entwürfen.
Aber nun ist es an der Zeit, dass wir den Höhepunkt des Schauspiels für Maddalena entwerfen.«
Rinaldo di Chimici verlor allmählich die Geduld. Er hatte Bellezza nun monatelang immer wieder besucht und hatte genug davon. Jede Reise war eine Strapaze. Er musste seine Kutsche auf dem Festland zurücklassen wegen der albernen bellezzanischen Gesetze, die Pferde verboten, und dann ein Boot nehmen, auf dem er immer seekrank wurde.
Seine Gemächer waren üppig, aber es machte ihn krank, in einer Stadt zu wohnen. Er hielt fast immer ein duftgetränktes Taschentuch an die Nase gedrückt, wegen des Gestanks aus den Kanälen, und all seine Mahlzeiten mussten vorgekostet werden, ehe er sie anrührte. Er traute der Duchessa nicht. Und er glaubte nicht mehr, dass er sie mit Argumenten umstimmen könnte.
Deshalb hatte er widerstrebend nach einem Willigen schicken lassen, einem gro
ßen, rothaarigen jungen Burschen, der eine Merlino-Klinge unter dem Umhang verborgen hatte.
»Warum unterzeichnet sie nicht einfach?«, rief Rinaldo di Chimici und hob seine Stimme, um seinen nächsten Schritt zu rechtfertigen. »Was ist denn so besonders an diesem übergroßen Kaff im Sumpf, dass sie unbedingt darauf besteht, dass es unabhängig bleibt?«
Guido Parola schwieg. Remora zahlte gut für das, was er tun musste. Doch die Duchessa war Bellezza und Bellezza war immer noch seine Heimat. Eine große Summe konnte ihn zwar dazu verführen, dass er sich am Untergang der Stadt beteiligte, aber niemand konnte ihm so viel geben, dass er sich kritisch über sie äußerte – das wäre ja Verrat gewesen.
»Nun, du kennst deine Befehle. Das Fest der Maddalena. Vergiss die Duchessa, der die Menge zujubelt. Die richtige wird sich in der Staatsmandola aufhalten. Sie hat nicht genug Platz für Wachen – höchstens für ein oder zwei Zofen. Und wie meine Informationen lauten, wird Senator Rodolfo, der sonst kaum von ihrer Seite weicht, mit dem Feuerwerk beschäftigt sein.«
Parola nickte. Es würde einfacher sein, wenn es zwei Duchessas gab. Einfacher, den Plan durchzuführen, und einfacher, sich selbst zu überreden, dass die richtige da draußen auf der Brücke von Barken stand und die in der Mandola nur eine gewöhnliche Frau mittleren Alters war.
»So, dieses Gebilde machen wir jetzt zusammen«, sagte Rodolfo. »Dann kannst du morgen selbst ein paar weitere Raketen machen.« Er enthüllte eine riesige Drahtkonstruktion, die in der Ecke des Laboratoriums stand. Sie hatte die Form einer Frau mit langem
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