Stadt der Masken strava1
Viele Aspekte davon hätte er in seiner Welt als wissenschaftliche Versuche bezeichnet. Schießpulver wurde mit verschiedenen Chemikalien vermischt, die unterschiedliche Farben hervorriefen, wenn man sie anzündete.
Aber für seine Kabinettstückchen benutzte Rodolfo Techniken, die eher an Zauberei grenzten.
Auf seiner Werkbank standen Glasgefäße, die glitzernde Substanzen in überirdischen Farben und seltsame Gegenstände enthielten, die nur zum Besitz eines Zauberers gehören konnten. Staunend sah Lucien zu, wie Rodolfo ein Glas entkorkte, in dem das winzige Skelett eines Drachens zu liegen schien, und dazu Worte vor sich hin murmelte. Im Nu verfiel das Skelett zu einem feinen grünen Pulver, das Rodolfo nun in die Hülse des Feuerwerkskörpers füllte, an dem sie gerade arbeiteten. Er fügte einen Schuss roten und goldenen Glimmers hinzu, der sich in seiner Hand zu bewegen schien, während er ihn ausschüttete.
Amüsiert warf Rodolfo einen Blick auf Luciens Gesicht. »Ein billiger Trick, der aber bei den Massen immer gut ankommt«, sagte er. »Aber nun lass uns eine Pause machen, bevor wir an den nächsten gehen.«
Lucien riss seine Gedanken von dem Feuerwerkszauber fort.
»Haben Sie schon etwas über Doktor Dethridge herausgefunden?«, fragte er, während sie auf den Dachgarten traten.
»Noch nicht«, erwiderte Rodolfo. »Ich habe meine Mit-Stravaganti in Bellona, Remora, Giglia und allen großen Städten benachrichtigt. Dazu habe ich gestern den ganzen Tag gebraucht und ich habe mir mehrmals gewünscht, dass wir eure Zaubereien hätten, um das alles per Draht zu machen, wie du mir erzählt hast.
Stattdessen musste ich die Kunst der Spiegel anwenden und die Suche war langwierig. Jetzt hält jeder Ausschau nach einem Mann ohne Schatten, aber ich habe bisher noch nichts gehört.«
»Rodolfo«, fragte Lucien plötzlich, »warum haben Sie mich hergebracht?«
Überrascht sah Rodolfo auf. »Ich habe dich nicht hergebracht, Luciano. Ich habe nur den Talisman zurückgelassen. Ich wusste nicht, wer ihn finden würde. Der Talisman selbst findet meistens die richtige Person.«
»Aber warum überhaupt die ganze Sache?«
»Jeden Monat bei Vollmond beschäftige ich mich mit verschiedenen Methoden der Vorhersage. Vor ein paar Monaten las ich die Karten und warf ein paar Steine, um festzustellen, ob ich in die Zukunft sehen könnte. Es entstand ein Muster, das ich nicht verstand. Es beinhaltete die Duchessa und Gefahr und ein junges Mädchen. Es zeigte auch ein Buch – und ich hatte dein Notizbuch bereits als neuen Talisman ausgewählt! Mir schien es an der Zeit, es in eure Welt zu bringen.«
»Und warum haben Sie es ganz in die Nähe meines Wohnortes und meiner Schule gebracht?«
»Damals wusste ich überhaupt nichts von dir. Ich ging dort hin, wo Doktor Dethridge lebte – nach Barnsbury. Zu seiner Zeit war das ein Dorf auf dem Land.
Jetzt scheint es ja wohl ein Teil von Nordlondon zu sein. Der Platz, wo sein Haus und seine Werkstatt standen, ist nicht wieder zu erkennen. Ich habe etwas gesehen, was wahrscheinlich deine Schule ist, aber das war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar. Es war ein großes Gebäude voller Menschen, daher habe ich den Talisman in einem angrenzenden Haus gelassen, in der Hoffnung, dass es nah genug sei.«
»Wie sind Sie denn in das Haus hineingelangt?«, fragte Lucien.
»Ich habe den Talisman durch einen rechteckigen Schlitz in der Haustür geworfen«, sagte Rodolfo.
»Trotzdem versteh ich noch nicht, warum Sie die Talismane in meine Welt bringen«, sagte Lucien. »Wollen Sie vielleicht weitere Stravaganti damit rekrutieren?«
»In gewisser Weise«, sagte Rodolfo zögernd. »So hat es Doktor Dethridge in den ersten paar Jahren gemacht. Aber seit ihm sind nur wenige Besucher aus deiner Welt zu uns gekommen. Es hat den Anschein, dass sie immer nur auftauchen und helfen, wenn wir in einer Krise stecken.«
»Passiert das oft?«, wollte Lucien wissen.
Rodolfo seufzte. »Zu oft. Die Chimici wollen Talia beherrschen. Oh ja, sie nennen es zwar jetzt eine Republik, aber du kannst sicher sein, wenn sie erst mal alles im Griff haben, dann machen sie ein Königtum, ein Kaisertum daraus, wie früher, als Remora das ganze Mittlere Meer und noch viel mehr beherrscht hat. Doch Bellezza leistet Widerstand.«
»Sie wollen, dass es beitritt?«, fragte Lucien.
»Sie wollen, dass die Duchessa ein Schriftstück unterzeichnet, das Bellezza verpflichtet, ihrem Staatenbund beizutreten«, erklärte Rodolfo.
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