Stadt der Masken strava1
Luciens Mutter zuckte jedes Mal zusammen, wenn sie einen sah, der einen Hamburger aß. Dann setzten sie ihren Rundgang fort, indem sie den leuchtend gelben Hinweisschildern mit ihren verwirrend abgewinkelten schwarzen Pfeilen folgten, die wieder zum Markusplatz zurückführten.
»Sieh mal, Lucien!« Dad blieb plötzlich stehen. »In diesem Laden gibt’s solche Sachen wie das Notizbuch, das ich dir mitgebracht habe. Du weißt doch, das Heft, mit dem dein Interesse für Venedig überhaupt erst angefangen hat.« Sie traten ein. Es war die reinste Schatztruhe, voll von marmorierten Papierbögen und hübsch eingebundenen Heften, vom Taschenformat bis zur repräsentativen Größe für die Schreibtische von Geschäftsführern. Die Preise waren astronomisch hoch. Dad war enttäuscht, bis Lucien einen Bleistift fand, der mit den gleichen roten und grünen Schlieren wie sein kostbares Notizbuch verziert war. Er zog das bereits etwas abgenutzte Büchlein aus der Tasche, um es zu vergleichen.
»Bist du sicher, dass du sonst nichts willst?«, fragte Dad. »Stimmt, er passt genau. Lässt das alte Buch aber ziemlich schäbig aussehen, nicht? Was hast du denn damit angestellt, hast du in der Badewanne geschrieben?« Direkt neben dem Schreibwarenladen befand sich ein besonders feiner Maskenladen. Dort fand Lucien eine Silbermaske, die wie ein Katzengesicht geformt war. Sie erinnerte ihn an Bellezza und sie war viel stabiler als diejenigen auf der Rialto-Brücke. Mum und Dad kauften sie ihm nur zu gerne. Dann fanden sie einen Stand mit gemustertem Samt und kauften Mum einen grünen Schal und Dad ein Paar roter Pantoffeln. In bester Laune machten sie sich auf den Rückweg zum Hotel.
Die Duchessa schritt so eilig über die Seufzerbrücke, dass ihre Röcke über die Steinplatten fegten. Sobald der Wächter die Zellentür aufgeschlossen hatte, schickte sie ihn weg. Der Mann zögerte noch, doch sie machte ihm ein ungeduldiges Zeichen. »Ich glaube, so ein junges Mädchen ist schwerlich eine Bedrohung. Du hast sie doch sicher nach Waffen abgesucht? Aber wenn sie versucht, mich mit ihrem Strohsack zu ersticken, dann rufe ich um Hilfe, das verspreche ich.«
Der Mann entzündete eine Fackel in der Ecke der Zelle, machte kehrt und ging über die Brücke zurück.
Das Mädchen schlief. Sie sah erschöpft aus, ihr Haar war zerzaust und voller Stroh. Die Duchessa schloss die Zellentür leise hinter sich, doch dieses Geräusch weckte das Mädchen. Es sprang auf und starrte seine Besucherin an. Dann sank es wieder enttäuscht zu Boden.
»Ach«, sagte sie, »ich dachte, Ihr wärt meine Mutter.«
Die Duchessa zuckte zusammen, doch mit ihrer üblichen Schroffheit erwiderte sie: »Spricht man so mit seiner Regentin? Kein Wunder, dass du wegen Hochverrats hier drin sitzt.«
Arianna sprang wieder auf. »Euer Gnaden«, stotterte sie. »Es tut mir Leid. Ihr habt mich überrascht. Ich wollte nicht unhöflich sein.«
Was immer sie erwartet hatte, es war nicht das, was als Nächstes geschah. Arianna war die Duchessa schon so lange verhasst, dass sie bei ihr überhaupt nicht mehr an eine richtige Person dachte. Jetzt trat diese bedeutende Dame, die Ariannas Leben in Händen hielt, auf sie zu und sah ihr direkt ins Gesicht, sodass ihre veilchenblauen Augen hinter der Maske funkelten. Dann legte sie die Arme um Arianna und drückte sie an sich.
Kapitel 15
Die Sprache der Spitze
Rinaldo di Chimici kochte vor Wut. Nur die Hälfte seines Planes hatte funktioniert, die weniger bedeutende Hälfte zudem. Das Mädchen saß sicher im Kerker und er war ziemlich überzeugt, dass die Beweise, die er gekauft hatte, dafür sorgen würden, dass sie gerichtet und zu Tode verurteilt würde. Aber würde sich Senator Rodolfo genug um das Mädchen sorgen, wenn der Junge nicht gefasst war?
Und der schien sich einfach in Luft aufgelöst zu haben. Im Haus des Senators war er nicht und niemand hatte ihn herauskommen sehen.
Di Chimici hatte noch zwei weitere Spitzel, die angewiesen waren, den Palazzo den ganzen Tag zu beobachten und sich auf den Jungen zu stürzen, sobald er zurückkehrte. Enrico hatte er mit wichtigeren Aufgaben betreut. Doch inzwischen befürchtete der Botschafter, dass Rodolfo wusste, wo sich der Junge befand, und ihn gewarnt hatte, sodass er sich jetzt verborgen hielt. Und wenn der Junge das war, was di Chimici vermutete, dann konnte er sich an Orten verstecken, an denen keiner seiner Spione ihn aufspüren konnte.
Der Prozess war nicht mehr fern; es
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