Stadt der Masken strava1
sie sich nun fest.
»An was denkst du?«, fragte die Duchessa.
»An viele Dinge«, erwiderte Arianna. »Aber wenn das, was Ihr sagt, wahr ist, dann muss ich ja keinen Moment länger in dieser Zelle bleiben.«
Die Duchessa seufzte. »Das ist schon richtig, aber ich würde es vorziehen, wenn du freiwillig hier bleiben würdest – bis zu deinem Prozess in ein paar Tagen. Ich werde genügend Beweise liefern, um den Rat davon zu überzeugen, dass du eine echte Bellezzanerin bist, aber es wäre mir lieber, die Wahrheit über deine Abstammung noch ein wenig geheim zu halten. Sie bringt uns beide in Gefahr.«
Da löste sich ein weiterer Gedanke aus dem Wirrwarr in Ariannas Kopf. »Wenn Gianfranco nicht mein richtiger Vater ist, wer ist es dann?«
Torcello war genauso, wie Lucien Torrone erinnerte, abgesehen von dem Mosaik in der kleinen Kathedrale, das golden statt silbern war. Das weiß getünchte Haus neben dem Kanal, wo Arianna gelebt hatte, die Buden, in denen Spitze und Glas verkauft wurden, allerdings keine Merlino-Klingen, und die Rasenfläche vor der Kathedrale kamen Lucien vertrauter vor als alles, was er bisher auf seiner Reise erlebt hatte. Als sie am Kanal entlang zurückgingen, um die Fähre in die Stadt zu erreichen, war er erschöpft, aber glücklich. Als sie jedoch an dem Haus vorbeikamen, das ihn an das von Arianna erinnerte, hatte er wieder so ein seltsames Erlebnis. Es war nicht so heftig wie das im Kerker des Dogenpalastes, nicht so Furcht einflößend. Aber er spürte eine große Gefahr und diesmal schien sie ihn selbst zu betreffen.
Kaum hatte Rodolfo die Duchessa in ihren Palazzo zurückbegleitet, brachte er Dethridge in sein Laboratorium. Die beiden Wachen, die den Haftbefehl vorgelegt hatten, warteten immer noch am Fuß der Treppe.
»Wenn Lucien zurückkehrt«, flüsterte Rodolfo, »schick ihn durch den Geheimgang zur Duchessa; ich treffe ihn dann dort. Jetzt muss ich sofort zu Leonora.«
Ariannas Tante war in einem schrecklichen Aufruhr. Dass so etwas passiert war, während sich ihre Nichte in ihrer Obhut befand, war unerträglich für sie. Sie hatte sich noch nicht überwinden können, Ariannas Eltern mitzuteilen, was mit ihrer Tochter geschehen war, und Rodolfo bot sofort an nach Torrone zu fahren.
»Ihr bleibt hier, falls eine Nachricht vom Palazzo kommt«, sagte er. »Macht Euch keine Sorgen, Leonora. Ich kann Euch versprechen, dass Arianna kein Leid geschehen wird. Und ich werde meinen Freund, Dottore Crinamorte, zu Eurer Gesellschaft herschicken, sobald ich ihn entbehren kann.«
Die Überfahrt nach Torrone ging schnell. Rodolfo dachte die ganze Zeit über das nach, was die Duchessa ihm erzählt hatte. Er hatte sich nicht nach dem Vater des Mädchens erkundigt, aber es schmerzte ihn sehr, erkennen zu müssen, dass das Kind empfangen worden war, während er und Silvia sich am nächsten gestanden hatten. Es war in einer Zeit gewesen, als er sich noch häufig in Padavia aufgehalten hatte. Aber er hatte immer geglaubt, dass ihm Silvia treu gewesen sei.
Jetzt verfluchte er, wie naiv er damals als junger Mann gewesen war, und fragte sich, ob er sich in all den Jahren seit der Zeit selbst an der Nase herumgeführt hatte. Wer mochte wohl Ariannas Vater sein? Doch sicher nicht Egidio und Fiorentino? Das war längst vorbei gewesen – das hatte Silvia ihm versichert, als er selbst das erste Mal an der Scuola aufgetaucht war. Aber vielleicht war er ein Narr gewesen ihr zu glauben? Vielleicht liebte ihn Silvia gar nicht? Und dennoch…
wie war es bei der diesjährigen Vermählung mit dem Meer gewesen? Silvia hatte ihm allen Grund zu der Annahme gegeben, dass ihre Liebe so stark war wie eh und je.
Schweren Herzens verdrängte Rodolfo diese Gedanken und konzentrierte sich auf das Mädchen. Wenn er es jetzt richtig bedachte, hatte es eigentlich auf der Hand gelegen, dass Arianna eine jüngere Version von Silvia war. Die Augen waren die gleichen und das Lächeln ebenfalls.
Mit langen Schritten lief Rodolfo am Kanal entlang auf das Haus der Gasparinis zu. Fieberhaft überlegte er, wie Silvia genug von der Wahrheit enthüllen konnte, um Ariannas Leben zu retten, ohne sich selbst in neue Gefahr zu bringen. Und dann blieb er unvermittelt stehen. Das Bild von Lucien tauchte auf dem Pfad vor ihm auf. Rodolfo überlegte nicht lange, wie das sein konnte. Er konzentrierte sich vielmehr darauf, Lucien wissen zu lassen, dass er vorsichtig sein müsse, dass sein Leben in Gefahr sei. Und dann löste sich
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