Stadt der Masken strava1
die Vision wieder auf und Rodolfo lief weiter zu Ariannas Pflegeeltern, um ihnen mitzuteilen, was mit ihr geschehen war.
Enrico wurde rasch zur rechten Hand von Rinaldo di Chimici. Und unter seinem Einfluss wurde der Botschafter immer ungeduldiger, Bellezza zu zwingen, der Föderation beizutreten.
»Vergesst den Jungen«, sagte Enrico. »Oder schlagt wenigstens erst mal einen anderen Plan ein. Was spricht gegen einen Anschlag, solange wir eine neue Du
chessa in petto haben – eine, die den Vertrag unterschreibt?«
»Wie es der Zufall will, habe ich eine andere Kandidatin«, sagte di Chimici. »Sie gehört zu meiner Familie – eine Kusine. Es handelt sich um Francesca di Chimici aus Bellona.«
»Aber sie muss Bürgerin von Bellezza sein, um als Duchessa in Frage zu kom
men«, warf Enrico ein.
»Das lässt sich arrangieren«, meinte der Botschafter. »Sie muss einfach einen Bellezzaner heiraten. Das kann meine Familie leicht einrichten, bei ihrer großen Mitgift.«
»Und ich nehme an, Euer Familienvermögen kann auch für die richtigen Wahler
gebnisse sorgen?«, fragte Enrico.
Di Chimici gefiel der plump-vertrauliche Ton Enricos nicht.
»Ich bin sicher, die Bürgerschaft von Bellezza wird meine Kusine für eine würdige Kandidatin halten«, sagte er steif.
»Dann sollten wir nicht auf den Jungen warten. Ich weiß, dass der Prozess meine Idee war, aber ich glaube, wir sollten die Dame rasch um die Ecke bringen.«
»Mein letzter Vorstoß verlief nicht gut«, sagte di Chimici kalt.
Enrico tippte sich an den Nasenflügel. »Das liegt daran, dass Ihr nicht mich damit beauftragt hattet. Der Weichling, den Ihr angeheuert hattet, war Bellezzaner –
Ihr solltet keinem aus der Stadt die Erledigung Eurer Aufträge anvertrauen. Am Ende haben sie doch immer Mitleid mit der Herzogin.«
»Du bietest mir also deine Dienste an?«
»Nun«, erwiderte Enrico, »für eine entsprechende Entlohnung natürlich.«
»Natürlich«, sagte di Chimici. »Trotzdem will ich den Jungen zu fassen kriegen.
Er hat etwas, das ich brauche.«
»Ihr sollt ihn auch kriegen«, sagte Enrico zuversichtlich. »Genau wie Bellezza.
Vertraut mir ganz einfach.«
Giuliana genoss ihre Anprobetermine auf Burlesca. Die alte Spitzenmacherin war freundlich und eine gute Zuhörerin. Sie hatte eine jüngere Frau hinzugezogen, die ihr beim Schneidern der Kleider half, und zu dritt verbrachten sie so viele Tage mit der Aussteuer, dass Giuliana für ein paar Tage bei der jungen Schneiderin einzog, damit sie die zweifache Überfahrt nicht so oft machen musste.
Giuliana war voller Träumereien über ihre bevorstehende Hochzeit. Ständig hieß es »Enrico dies« und »mein Verlobter das« und die beiden anderen Frauen schien es nicht zu stören – wie viel sie auch von ihm redete.
»Er muss zur Zeit einen so wichtigen Auftrag erledigen«, berichtete sie. »Aber ich darf euch nicht erzählen, um was es sich handelt; es ist streng geheim. Nur so viel kann ich sagen: Wenn er ihn erledigt hat, dann haben wir genug Silber, um uns ein Haus zu kaufen! Stellt euch mal vor – ich hätte gerne eines von diesen hübschen bunten hier auf Burlesca. Aber er sagt, dass wir die Lagune vielleicht verlassen müssen, nachdem… nach seinem Auftrag, von dem ich euch nichts erzählen darf.«
»Das klingt aber ziemlich gefährlich, meine Liebe«, sagte Paola sanft. »Ich hoffe doch, es ist nichts Unerlaubtes.«
Giuliana kicherte geziert. »Na ja, sagen wir mal, es kommt uns besser zustatten, in Remora zu wohnen, wenn alles vorbei ist. Da sind sie uns wahrscheinlich sehr zu Dank verpflichtet.« Paolas wache Augen straften ihr sanftes und unauffälliges Betragen Lügen. Und am Ende des Tages hatte sie erfahren, was sie wissen wollte.
An diesem Abend holte Paola ihre Klöppelarbeit hervor und arbeitete im Schein einer Kerze bis spät in die Nacht. Noch lange, nachdem ihr Mann Gentile zu Bett gegangen war, saß sie über ihrem Werk.
Arianna wurde noch am Abend nach dem Besuch der Duchessa aus ihrer engen, kleinen Zelle geholt und verlegt. Die neue Zelle war geräumiger und auf dem Steinboden lagen Teppiche, sodass es nicht so kalt war. Arianna bekam eine weiche Matratze zum Schlafen statt ihres Strohsacks, aber dennoch konnte sie nach allem, was sie erfahren hatte, kein Auge zutun. Zuerst glaubte sie, die Duchessa sei verrückt geworden. Doch was sie erzählt hatte, passte in irgendeiner seltsamen Weise zusammen. Ariannas Brüder waren viel älter als sie selbst und sie
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