Stadt der Masken strava1
durch ein Double vertreten zu lassen, als die Veränderungen meines Äußeren nicht mehr zu verbergen waren. Eine junge Frau trat statt meiner auf. Sie trug meine herrlichen Gewänder beim Bankett am Dreikönigstag, während ich oben im Bett lag. Nur Susanne und die Hebamme waren bei mir und halfen mir dich zur Welt zu bringen.«
In der Zelle herrschte Schweigen. »Hat es Euch denn nichts ausgemacht, mich fortzugeben?«
Die Duchessa nahm Ariannas Hand. »Ich hatte mich dazu durchgerungen, es zu tun. Ich durfte nicht zulassen, dass es mir etwas ausmachte. Ich gab keinen Ton von mir, als ich dich gebar, und ich sagte kein Wort, als ich dich fortgab. Ich hatte deinen Namen bereits ausgewählt, und das war alles, was ich damals für dich tun konnte. Das und dich an meine Schwester weiterzugeben war alles, was ich meiner aufrichtigen Überzeugung nach für dich tun konnte.«
»Aber hättet Ihr nicht wenigstens vorgeben können, meine Tante zu sein? Bis gestern Abend hab ich ja nicht mal gewusst, dass meine… dass Valeria eine Schwester hat, ganz zu schweigen davon, dass Ihr das seid.«
»Auch das war nur zum Besten. Natürlich wussten die Menschen, als ich damals gewählt wurde, dass ich von den Inseln stammte, obwohl auch ich in Bellezza geboren bin, wie es sich für die Duchessa gehört. Deine Großmutter, Paola, machte gerade Einkäufe in der Stadt, als ich geboren wurde. Genau wie du hatte ich es sehr eilig, auf die Welt zu kommen, und war zu früh dran. Doch das Gedächtnis der Menschen hier ist kurz, und selbst wenn sie sich erinnern konnten, dass meine Eltern von Burlesca stammten, hätte es eines sehr hartnäckigen Widersachers bedurft, um eine Schwester auf Torrone auszumachen. Und selbst wenn, warum hätten sie anzweifeln sollen, dass du ihr Kind bist?«
»Aber wenn es all die Jahre geklappt hat, warum soll es dann jetzt auf einmal anders sein?«, wollte Arianna wissen und zog ihre Hand fort.
Die Duchessa seufzte. »Vor ein paar Monaten kam Rodolfo mit einer seltsamen Geschichte zu mir. Wie an jedem Vollmond hatte er die Zukunft befragt, und immer wieder tauchte ein Muster auf, das er nicht recht verstehen konnte. Ob er nun die Karten befragte oder Steine oder die Würfel warf, jedes Mal wurde ihm eine dringende Botschaft enthüllt. Doch ihm fehlte ein Stückchen an Information, das er zum Verständnis benötigte. Er wusste nichts von dir.«
»Wie lautete die Botschaft?«, fragte Arianna.
»Sie handelte von einem jungen Mädchen und von Gefahr, von einem Magier und einem jungen Mann, von einem Talisman und einem neuen Stravagante aus einer anderen Welt, von dem Herzogtum und von der Zahl sechzehn. Sobald er mir davon erzählt hatte, wusste ich, dass sich ein Teil auf dich und deinen bevorstehenden Geburtstag bezog und dass ich etwas unternehmen müsste, um deine Zukunft abzusichern. Daher sandte ich meiner Schwester eine Botschaft und wartete ab, welche Intrige meiner Widersacher dich in Gefahr bringen würde –
oder indirekt auch mich.«
Arianna schwieg eine Weile. »Ist Rodolfo mein Vater?«, fragte sie mit leiser Stimme. Die Duchessa erhob sich mit einer Geste der Ungeduld und ging durch die Zelle.
»Meint Ihr nicht, dass Ihr mir auch darüber die Wahrheit sagen solltet?«, beharrte Arianna.
»Ich habe dir gestern Abend gesagt, dass ich mit deinem Vater nie über deine Existenz gesprochen habe«, erwiderte die Duchessa. »Das war unerlässlich, um das Geheimnis zu wahren. Wenn ich es für nötig erachte, werde ich es ihm erzählen, und dann sollst du es auch erfahren. Je weniger du bis dahin weißt, desto sicherer sind wir alle.«
Ihre Stimme war entschlossen und Arianna spürte, dass weiteres Nachfragen keinen Sinn hätte. Daher versuchte sie etwas anderes.
»Und habt Ihr euch damit abgefunden, all die Jahre nichts von mir zu wissen?«
»Was lässt dich vermuten, dass ich nichts von dir wusste?« Die Duchessa wandte sich ihr mit aufgebrachtem Blick zu. »Ich wusste, wann dein erster Zahn kam, wann du dein erstes Wort gesprochen hast – es war ›Nein‹, soweit ich mich erinnere –, wann du den ersten Schritt getan hast. Ich wusste, wann du in die Schule kamst und wie vorlaut du deinen Lehrern gegenüber warst. Ich wusste, dass deine Brüder und Gianfranco dich verwöhnten und dass du der Liebling der Insel warst. Ich wusste alles von dir, nur nicht, wie du aussiehst. Sobald ich dich mit Luciano zusammen sah, ließ ich dir jemand folgen und meine Ahnung bestätigte sich. Aber ich hatte
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