Stadt der Piraten
ihre Stadt wie eine Festung ausgebaut hatten, um sie vor allem gegen die Angriffe von See aus zu schützen. Aber eben weil Thormain eine solche Festung war, war es eine Herausforderung für die Piraten, die schon immer diesen Teil des Meeres der Spinnen beherrschten. Und darum hatten sie sie so lange berannt, bis sie endlich in ihre Hände fiel.
Das lag schon lange zurück, und Yortomer lebten kaum mehr in Thormain. Die Stadt gehörte den Piraten, die aus allen Teilen der Welt kamen und den verschiedensten Völkern angehörten. So, wie sich die Angehörigen der verschiedenen Völker miteinander vermischten, so dass sich allmählich ein eigener Menschenschlag herauszubilden begann, war aus den vielen gorganischen Dialekten eine eigene Mundart geworden.
Thormain besaß hohe, dicke Stadtmauern und zusätzliche Wälle. Es gab sieben Tore, die sich alle an der Westmauer befanden und durch trutzige Wehrtürme gesichert waren. Im Norden und Süden, wo die Stadt in scharfen Spitzen auslief, befanden sich unzugängliche Felshänge, die einen natürlichen Schutz bildeten. Hier war Thormain nur schwach befestigt. Dafür schützten gegen Osten, zur Seeseite hin, starke Hafenmauern die kleine Bucht, an der Thormain lag. Diese Hafenmauern waren so widerstandsfähig, dass sie selbst der Flutwelle widerstanden hatten, die dem Untergang der Insel Zuuk gefolgt war.
Im Hafen lagen einhundertundzwanzig kleinere und mittlere Schiffe vor Anker, die kaum noch ausliefen. Dass die Piraten nicht auf Kaperfahrt gingen, lag vor allem an den kriegerischen Caer, die ihre Eroberungsfeldzüge auch gegen die Piratenküste richteten. Das führte dazu, dass die ungefähr dreitausend Piraten zum Nichtstun verurteilt waren und auf engstem Raum zusammenleben mussten, denn Thormain hatte nur eine geringe flächenmäßige Ausdehnung.
Die Häuser waren dicht aneinander- und zumeist einige Stockwerke übereinander gebaut und nicht selten auch zu hoch aufragenden Türmen verschachtelt. Die Dächer waren steil und mit Holzschindeln gedeckt. Im Mittelpunkt gab es das sogenannte Nest. Dies war ein schlossähnliches Bauwerk aus vier nahe beieinanderstehenden Türmen, die durch schmale, hohe Gebäude miteinander verbunden waren und einen engen Innenhof umschlossen. Dort wohnte Argur von Solth, der sich als »König der Meere« bezeichnete und das Oberhaupt der Piratengemeinschaft war. Yargh wusste jedoch zu sagen, dass Argur von Solth nicht viel zu bestellen habe und von seinen Untertanen geradezu tyrannisiert werde. Wie seine Vorgänger hatte er schwer um die Gunst der Piraten zu kämpfen und war nur so lange geduldet, wie er für einträgliche Raubzüge sorgen konnte. Sein Kopf hatte schon immer ziemlich locker gesessen, aber nun hing er nur noch an einem seidenen Faden.
Der wahre Herr in Thormain war Welleynn, der Scharfrichter, der von allen gefürchtet wurde und vor dem selbst Argur von Solth zu Kreuze kroch. Welleynn, der seine Opfer an den Schultern baumeln ließ, führte ein wahres Schreckensregime. Keiner war vor ihm sicher.
Das meiste, was Yargh berichtete, hatten Mythor und seine Freunde bereits von den fliehenden Fischern erfahren. Aber nun brachte der Prügelknabe von Thormain, wie Sadagar den vom Schicksal geschlagenen kleinen Mann treffend nannte, ihnen auch einiges Neue zu Gehör, was Mythors besonderes Interesse erweckte.
Nach Yarghs Aussage stand Thormain auf uraltem Gemäuer, das angeblich von jenen Riesen erbaut worden war, die auch den Titanenpfad erschaffen hatten. Es gab unter der Stadt ein Netz von vielen Gängen und Hohlräumen, deren Zugänge größtenteils von den früheren Bewohnern Thormains verschüttet worden waren. Einige der Zugänge waren jedoch von den Piraten wieder freigelegt worden, und manche der Opfer Welleynns hatten sich seinem Zugriff durch Flucht in die »Stadt unter der Stadt« entzogen. Dort lebten die ehemals stolzen Piraten nun wie die Ratten.
Es gab aber in Thormain einen noch geheimnisvolleren Ort, nämlich den thormainischen Brunnen. Er lag genau zwischen dem Nest und Yarghs Haus, nur zweihundert Schritt entfernt, zwischen unbewohnten und halb verfallenen Häusern. Der thormainische Brunnen war uralt und aus jenen Steinen errichtet, aus der die Stadt unter der Stadt bestand. Es hieß, dass er unendlich tief sei und sein Wasser von der Urquelle des Bösen selbst beziehe. Darum wagte auch niemand, von dort Wasser zu holen. Und darum getraute sich auch niemand, den Bezirk um den Brunnen zu betreten, und wer
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