Stadt der Schuld
seines Gesichtsfeldes etwas Helles aufleuchten, höher lodern.
Feuer!
Mary hatte Feuer gefangen! Der Teppich und ihr Kleid brannten. Die Flammen wurden durch den Luftzug des offenen Fensters rasch angefacht. Mary rannte auf ihn zu. Das Gesicht, eine Fratze der Angst. Aaron ließ Ashworth los. Er zerrte einen der drapierten Vorhänge herunter, warf ihn kurzerhand über das Mädchen und zwang sie zu Boden. Hastig versuchte er, die Flammen zu ersticken. Für Ashworth hatte er keine Augen mehr. Der Teppich brannte inzwischen lichterloh. Überall war Qualm. Sie mussten sofort heraus aus diesem Zimmer. »Komm, Mary!«
Er packte sie und schleppte das immer noch schreiende Mädchen aus der offen stehenden Tür. Wo, zum Teufel, war dieser verfluchte Ashworth? Da stürzte ihm schon eine Horde Leute entgegen und drängte sich an ihm vorbei. Unter ihnen ein hässliches, krötenartiges Weib. Überall gingen nun Türen auf, auch in den Stockwerken der Galerie unter ihm. Er sah, wie nackte Weiber auf die Gänge herausquollen, gefolgt von mehr oder weniger bekleideten Männern. Auch der weißhaarige Bock von vorhin war unter ihnen und schrie etwas Unverständliches. Es war das blanke Chaos.
Aaron zerrte Mary die Treppe hinunter. Zum Glück schien sie durch die Flammen nicht ernsthaft verletzt worden zu sein. In all dem Gewühl konnten sie vielleicht entkommen.
»Komm! Nun komm doch, Mary! Schnell!«
Plötzlich spürte er, wie sie sich wehrte. Warum? Gehetzt drehte er sich zu ihr um. Ihr Gesicht, auf dem die dicke Schicht Schminke völlig verschmiert war, offenbarte die blutunterlaufenen Spuren einer vorhergehenden Misshandlung. Tränen zogen schwärzliche Schlieren durch die verschmierte Masse.
»Was ist?«
»Ich kann nicht!«
»Herrgott, warum denn nicht? Mary, denk doch nach! Was tut man dir hier an?«
»Nein!«
»Mary, um Gottes willen, ich flehe dich an: komm!« Aaron sah sich hektisch um. Schon waren in dem ganzen Durcheinander einige auf ihn und Mary aufmerksam geworden. Sie mussten fort! Jetzt!
»Nein, sie hat gesagt, sie bringt mich um, wenn ich weglaufe. Ich hab Angst, Aaron. Ich will nicht sterben!«
Es blieb ihm keine Zeit. Mary riss sich von seiner Hand los. Da drängte eine Gruppe von Männern unten von der Treppe zu ihnen hinauf. Verflucht!
Ashworth war bei ihnen. Von oben kreischte das krötenartige Weib etwas. Einer der Männer antwortete ihr, er hatte sie verstanden. Plötzlich hatte er ein Messer in der Hand.
»Lauf, Aaron. Sie werden dich töten! Lauf!«
»Mary!«
»Lauf!«
Die Angst in Marys Augen sagte es ihm. Es war zu spät, er konnte sich nur noch selbst in Sicherheit bringen. Schon war der mit dem Messer gefährlich nahe. Er hatte keine andere Wahl mehr. Mit Schwung setzte Aaron über den Rand des Geländers der Galerie und sprang ein Stockwerk tief in die Mitte des Saals zu seinen Füßen. Die Luft wurde ihm schmerzhaft aus den Lungen gepresst, als er aufprallte. Flüche, Schreie, über ihm. Das hastige Trampeln der Füße seiner Verfolger auf der Treppe. Er rappelte sich auf. Nur raus hier! Rüde stieß er einige derer, die sich ihm in den Weg zu stellen versuchten, beiseite. Da, die Ausgangstür! Das Weib davor versuchte erst gar nicht, ihn aufzuhalten.
Einen Augenblick später war er draußen auf der Straße. Laufen! Die Verfolger abschütteln! Da, eine Droschke! Er erreichte das rasch vorbeirollende Gefährt, schwang sich auf den unbenutzten Gepäckhalter und klammerte sich fest. Sie würden ihn nicht mehr einholen.
Kapitel 29
Kapitel 29
Und ich glaub's nicht, selbst wenn du's mir schwörst beim Grabe meiner Kinder.« John Pickett spuckte aus und blickte Bill Atkins herausfordernd an. Irgendwie ärgerte es ihn, dass dieser Stanton sich plötzlich doch noch zur Teilnahme an ihrem Plan bereit erklärt hatte.
»Wenn ich's dir doch sage«, beharrte Bill und zog John ungeduldig hinaus auf die Straße. Leichter Schneefall hatte in der Nacht eingesetzt und bedeckte den räudigen Hinterhof, in dem Pickett in nicht mehr als einem Verschlag hauste, mit einer gnädigen weißen Schicht.
»Und wodurch kam es zu diesem plötzlichen Sinneswandel?«, höhnte Pickett wenig besänftigt und griff im letzten Moment nach seinem löchrigen Mantel, bevor er sich zu Atkins auf den Hof gesellte. Bill zuckte mit den Achseln. »So genau hat er mir das nicht gesagt, aber ich glaube, da ist irgendwas passiert. Aaron war jedenfalls ziemlich aufgebracht, als er heute Nacht plötzlich bei mir
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