Stadt der Schuld
lauf! Beeil dich! Sonst ist es zu spät. Heilige Mutter Maria, er blutet wie ein abgestochenes Schwein, verdammt!«
Er will etwas sagen, es kommt nur ein unverständliches Röcheln heraus. Kälte! Er ringt nach Luft wie ein Ertrinkender.
»Halt still, Aaron. Du packst das, hörst du? Mach mir bloß nicht schlapp, Freund!«
Liams riesige Pranken pressen auf eine Stelle nah an seinem Hals. Ein weiterer Mann kniet jetzt neben ihm.
Alles wird wieder schwarz.
Aaron sah direkt in das von Kerzenschein erleuchtete Gesicht eines Fremden über ihm, als er wieder zu sich kam. Wässrige Säuferaugen sahen ihn aufmerksam an, dann verzogen sich welke Gesichtszüge zu einem kurzen, aber erleichterten Lächeln. »Wieder unter den Lebenden? Gott sei Dank! Das war knapp, Mr Stanton, verdammt knapp. Zum Glück konnte ich die Blutung stillen.«
Wo war er? Aaron versuchte, sich zur Seite zu drehen.
»Bleiben Sie bitte ganz ruhig liegen. Ah, Mr Righley ...?«
Das Rücken eines Stuhls, dann schwere Schritte. Liams gutmütiges Gesicht erschien über ihm. »Da bin ich ja gerade noch rechtzeitig gekommen. Kannst dich bei dem kleinen Schankjungen bedanken. Was wollten die verdammten Kerle denn von dir?«
»Friwell ... sind gefährlich!«, brachte Aaron unter Mühen hervor. Er musste Liam warnen. Die Kerle würden die Sache bestimmt nicht auf sich beruhen lassen.
»Ah ... ich dachte es mir fast. Die gehören zu einer von den Verbrecherbanden, die die Stadt unsicher machen. Friwell, sagst du?« Liam grinste breit. »Das ist doch der Laden, wo du Ashworth die Fresse aufpoliert hast, du Teufelskerl! Weißt du, dass du wochenlang das Hauptthema in der Spinnerei warst? Du hast ihn grün und blau geschlagen, das hat die Köchin dem Schandmaul Eliza gesteckt. Geschieht dem Menschenschinder recht. Der ist wohl für eine Weile davon kuriert, sich an unschuldigen Dingern zu vergreifen.«
Der andere Mann mischte sich wieder ein. »Hören Sie, Mr Righley, Ihr Freund hier braucht jetzt unbedingt Ruhe, sonst platzt die Wunde wieder auf. Er hat Glück gehabt, es sind keine lebenswichtigen Organe verletzt, wie es scheint. Aber er hat sehr viel Blut verloren und scheint ohnehin krank zu sein. Er hat hohes Fieber.«
Aaron stöhnte. »Kann nicht hierbleiben ... zu gefährlich.«
Der Mann sah sich nervös um. »Hören Sie, Righley, das ist nicht meine Sache. Ich habe Ihren Freund zusammengeflickt, aber ich will mit der ganzen Angelegenheit nichts zu tun haben. Ich gehe jetzt, verstanden?«
»Jaja, gehen Sie schon«, murrte Liam. »Wegen der Kosten reden wir später. Sie wissen ja, wo ich wohne, Mr Blunt.«
»Ja, ich ... äh ...«, der Mann raffte hastig seine Utensilien, mit denen er Aarons Wunde versorgt hatte, in seine Tasche. »Gut, ich komme in ein paar Tagen vorbei«, sagte er, dann war er schon aus der Tür.
»Hasenfuß!«, knurrte Liam. »Glaub ja nich', dass die Kerle gleich wieder herkommen. Die denken, sie hätten dir den Garaus gemacht, da bin ich mir sicher. Haben es ja auch fast geschafft, Mann!«
Er wandte sich Aaron zu. »Pass auf, alter Knabe, mein Weib wird so lange auf dich aufpassen. Dass du mir nicht abkratzt in der Zwischenzeit, hörst du? Ich geh jetzt und hole deine Cathy. Sie unterrichtet die Tochter meines Schwagers, weißt du. Sie wird am besten wissen, was wir mit dir machen sollen.«
Und ehe Aaron noch etwas sagen konnte, war auch Liam verschwunden.
Kapitel 47
Kapitel 47
Seine Erinnerung bestand nur aus Splittern, Bruchstücken, Gedankenfetzen ... Cathy. Wo waren die Tage geblieben? Aber sie war da gewesen, ihr Duft, die Wärme ihrer Hände, ihre Stimme.
Er schob sich mit beiden Armen mühsam nach oben in eine halb sitzende Position. Was war das für ein Bett und was war das für eine Kammer? Die tiefe Wunde, die ihm das Messer zwischen Schulter und Hals gerissen hatte, stach unangenehm, aber es war zu ertragen. Sein Atem ging erstaunlich leicht. Über ihm ein Dachfenster, in das Mondlicht fiel und einen hellen Fleck auf die saubere Bettdecke warf, mit der sie ihn zugedeckt hatte. Jäh überfiel ihn Schrecken. Wenn sie ihn mit in ihr neues Zuhause genommen hatte, würden sie ihn finden, erneut einsperren und Cathy gleich mit dazu. Er konnte nicht bleiben. Er war zu einer Gefahr für sie und das Kind geworden.
Da ging die Tür zu der kleinen Kammer auf und Cathy trat ein. Hatte sie ihn etwa gehört? »Du bist wach, Aaron, wie schön! Es geht dir besser, ja?«
»Ja, danke, Cathy, aber ...«
Sie setzte sich zu ihm
Weitere Kostenlose Bücher