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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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Besitzer der Spinnerei mit drohendem Blick. Trotz seiner unguten Ahnungen musste Bole über das Durchsetzungsvermögen dieser fremden Frau staunen. Dass sie sich so etwas traute! Das war doch immerhin ziemlich ungewöhnlich. Mr Ashworth war schließlich nicht irgendwer. Doch der zuckte regelrecht zusammen.
    »Selbstverständlich, Mrs Fountley, das ist keine Frage. Ich hätte das ohnehin angeordnet.« Ashworth wandte sich an das junge Mädchen, das bebend und mit großen Augen neben der Maschine stand. »Du, wie ist dein Name?«
    »Mary, Mary McGillan«, stammelte das junge Ding.
    Bole versuchte, seine letzten Felle zu retten, indem er die Verantwortung von sich abwälzte: »Vermutlich ist sie die Ursache für die Schweinerei hier. Cathy hat sie heute mitgebracht, um sie an der Maschine einzulernen. Wie Sie sehen können, erwartet sie sehr bald ein Kind und sie hoffte wohl, dass das Mädchen ihr die Arbeit für eine kurze Zeit abnehmen könnte, bis sie wieder selbst arbeiten kann. Das wird manchmal so gehandhabt, Sir, wie Sie wissen«, beeilte er sich nachzuschieben. Besser, er wehrte jeden weiteren Vorwurf ab.
    Ashworth reagierte gar nicht auf seine Worte, er war zu dem Mädchen hinübergegangen. »Du kennst die Frau, nehme ich an. Seid ihr verwandt?«
    Seltsamerweise wirkte das Mädchen nun trotz seiner Furcht fast trotzig. »Nein, meine Geschwister und ich wohnen nur vorübergehend bei den Stantons, bis wir etwas Eigenes gefunden haben.«
    Ashworth stutzte verblüfft. Eine Antwort in einem solchen Ton hatte er nicht erwartet.
    »Hast du keine Eltern, Mädchen?«
    Das junge Ding reckte störrisch das Kinn und drückte den Rücken durch. Das zu enge Oberteil über ihren wohlgeformten, straffen Brüsten spannte sich bedenklich. »Mein Vater hat hier gearbeitet, ist aber vor ein paar Tagen gestorben ... und meine Mutter ist abgehauen.«
    »Abgehauen ...?«
    »Das ist nicht wichtig. Wir werden es schon schaffen, auch ohne sie. Ich kann arbeiten, Mister.«
    »Zweifellos!« Ashworth ließ seinen Blick einen Moment lang überaus interessiert auf dem Mädchen ruhen. »Du wirst den Arzt holen, Mary, so war doch dein Name, nicht wahr? Er wohnt nicht weit von hier, zwei Straßen weiter. Sag ihm, was passiert ist, und dass die Fabrik die Kosten übernimmt. Hast du verstanden?«
    Das Mädchen nickte.
    »Gut, dann lauf. Und dann meldest du dich morgen bei mir im Büro. Ich werde sehen, ob wir eine Arbeit für dich finden können.«
    Er lächelte knapp, dann wandte er sich wieder seinen beiden Begleiterinnen zu. »Ich hoffe, Sie sehen nun, Mrs Fountley, dass mir das Wohl meiner Angestellten durchaus am Herzen liegt – mehr, als manch anderem Unternehmer in Manchester – und dass die Anschuldigungen, die gegen unser Unternehmen in der Presse erhoben wurden, nicht nur ungerecht, sondern auch völlig haltlos waren.«

Kapitel 8
    London, Whitehall, zur gleichen Zeit
    Kapitel 8

    Havisham fuhr sich über die Augen und bemühte sich in bessere Konzentration, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen. Green hatte ihn, als Mitglied des Handelsausschusses der Whigs, zu einer Unterredung mit Ewart Gladstone 21 gebeten, einem ambitionierten jungen Vertreter der Torys. Er hoffte, den vielversprechenden Nachwuchspolitiker in der Frage des Freihandels auf die Seite der Whigs zu ziehen. Seit einiger Zeit waren – nicht zuletzt wegen der unklaren Machtverhältnisse im Parlament – Bestrebungen im Gange, der Idee des Freihandels, für die er, Havisham, auch in einem entsprechenden Ausschuss saß, über einzelne Befürworter nicht nur in den eigenen Kreisen zu mehr Zustimmung zu verhelfen, sondern darüber hinaus auch in die Reihen der Torys zu tragen. Gladstone war dafür ein sicher außerordentlich aussichtsreicher Kandidat. Schließlich war bekannt, dass Robert Peel, der gewählte Premier, diesem jungen Mann vertraute. Es war außerdem nur eine Frage der Zeit, bis die Queen die unhaltbare Situation beenden musste und Melbourne endlich seinen Posten als nach wie vor amtierender Premier dem rechtmäßigen Inhaber zur Verfügung zu stellen hatte. Gladstone erwies sich im Gespräch tatsächlich als außerordentlich gut informiert über die Lage im Empire und zeigte Offenheit gegenüber den Ansichten der Whigs. Aber er neigte leider zu endlosem Monologisieren. Das machte das Gespräch schwierig, obwohl er mit dem, was er so wortreich ausführte, recht hatte. Doch das war nicht der einzige Grund für die Konzentrationsschwäche, mit der Havisham

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