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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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sich zu besinnen. Ein kurzer Einsatz des Stockes und die Kutsche kam zum Halten.
    »Ma'am.« Er erhob sich, öffnete den Verschlag und stieg hinaus auf regennasse Pflastersteine. Ein strammer Fußweg nach Hause stand ihm bevor, die Gasse lag im Herzen Manchesters, weit von seinem Viertel entfernt.
    »Mr Stanton«, erklang da plötzlich spröde und seltsam entschlossen die Stimme von Mrs Ashworth aus dem Wageninneren. »Vielleicht denken Sie doch noch einmal darüber nach. Mein Angebot kennen Sie nun. Es bleibt dabei.« Sie schloss den Verschlag abrupt und die Kutsche fuhr einen Augenblick später an. Aaron blieb allein auf der Straße zurück und sah dem sich rasch entfernenden Zweispänner nach. Dann zog er frierend die Jacke enger um sich und machte sich auf den Weg nach Hause. Mit Mary würde er noch ein Wörtchen zu reden haben.
    ***
    Es war kurz vor Mitternacht, als er endlich nass und durchgefroren die Wohnungstür öffnete, doch Cathy kam ihm sofort entgegen. Sie hatte auf ihn gewartet. »Gott sei Dank, Aaron! Wo warst du nur so lange? Doch nicht schon wieder bei diesen Chartisten? Ach Aaron, ich muss unbedingt mit dir sprechen. Es ist etwas geschehen.«
    Müde zog er sich seine nassen Sachen aus. »Wo ist Mary?«, fragte er rau.
    »Darum geht es ja gerade«, sagte Cathy den Tränen nah und rang die Hände. »Sie ist heute auf und davon, nachdem sie früher als sonst von der Arbeit kam.«
    »Ich will gar nicht wissen, was für eine Art Arbeit das gewesen ist«, meinte Aaron sarkastisch. Doch dann tat es ihm leid. Cathy war wirklich in Sorge – um das Mädchen, und um ihn. Wie konnte er nur so mit ihr sprechen? Versöhnlich legte er die Arme um sie. Als er den vertrauten, warmen Duft ihrer Haare einatmete, wurde ihm einmal mehr bewusst, wie sehr er sie liebte. Er küsste sie sanft. Doch Cathy war nicht bereit für seine Zärtlichkeiten, zu sehr nahm die Sorge um Mary sie gefangen. »Ich muss dir leider sagen ...«, begann sie, es fiel ihr schwer, ihm dabei in die Augen zu sehen, »du hast recht gehabt mit deiner Vermutung. Sie hat sich einem Mann hingegeben und glaubt offenbar, dass er für sie sorgen wird. Das dumme Ding! Ich vermute, es ist Ashworth, dieser widerliche Kerl!«
    »Ja, es ist Ashworth! Ich weiß das seit heute Abend leider ganz genau!«, sagte Aaron lapidar.
    »Dann hast du sie gesprochen, oder wenigstens gesehen?«
    »Nein!« Aaron schüttelte den Kopf und ging hinüber zu dem kleinen Eisenofen, der den Raum erwärmte und gleichzeitig als Kochstelle diente. Er hielt seine klammen Hände darüber, um sie zu wärmen. »Weißt du, wer mir das gesagt hat? Mrs Ashworth höchstpersönlich.«
    »Mrs Ashworth?« Cathys Stimme hob sich entsetzt, doch dann dämpfte sie sie gleich wieder, um die schlafenden Kinder im Raum nicht zu stören. Ohnehin hatte sie die größte Mühe gehabt, vor allem Debby, die völlig außer sich gewesen war über den Verlust ihrer Schwester, wieder halbwegs zu trösten. Nun lag das Mädchen mit dem Baby zusammen in Cathys Bett, die Wangen immer noch verquollen vom Weinen.
    »Mrs Ashworth hat ihren sauberen Ehemann heute offenbar dabei erwischt, wie er Mary gerade bestieg. Du kannst dir vorstellen, dass sie nicht sehr gut auf das Mädchen zu sprechen war.«
    »Um Himmels willen!« Cathy ging schnell zu ihm hinüber. William und Debby sollten nicht auch noch mit anhören müssen, was ihre ältere Schwester da in ihrer grenzenlosen Dummheit anstellte.
    »Sie wollte, dass ich das Mädchen hinauswerfe, aber das habe ich abgelehnt.« Er lachte freudlos auf. »Nun, das hat Mary jetzt jedenfalls selbst entschieden. Schade, dass ich das nicht eher wusste. Stattdessen verlangte Mrs Ashworth dann von mir, dass ich es ihr besorge – als Vergeltung sozusagen.«
    Cathy starrte ihn mit großen Augen an. »Aber du hast doch nicht ...?«
    Plötzlicher Ärger stieg in Aaron auf. Dass Cathy diese Frage überhaupt an ihn richtete! Hatten sie, hatte er nicht all das endgültig hinter sich gelassen?
    »Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte es mit ihr getrieben?«, fuhr er sie zornig an. »Nun, vermutlich hätte ich dann immerhin Aussichten auf einen besseren Posten, oder zumindest auf eine bessere Bezahlung, damit ich dich und die Kleine und McGillans Bälger ernähren kann.«
    »Nein! Aaron! Wie kannst du nur so etwas sagen? Ich ...«, plötzlich schimmerten Cathys Augen verdächtig und dann, ganz langsam, löste sich ein salziger Tropfen von ihren Wimpern und rollte ihr über die Wange. »Ich

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