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Stadt der Schuld

Stadt der Schuld

Titel: Stadt der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva-Ruth Landys
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weiß, warum du das sagst«, schluchzte sie. »Es ist noch wegen dieser Sache mit Isobel damals. Ich wünschte wirklich, das alles wäre nicht geschehen. Oh Gott, wie sehr ich das wünschte! Es tut mir so leid, so leid, dass du da hineingezogen wurdest.« Sie schlug die Hände vors Gesicht, ihre Schultern zuckten krampfhaft. Doch Aaron brachte es einfach nicht über sich, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Er wusste selbst nicht, warum. Eine kalte Wut, die sich wie ein Fels vor seine Brust legte, versperrte ihm den Weg zu ihr. Er hatte es so satt: die Not, die Enge, diese ganze verdammte Aussichtslosigkeit und die Gier, mit der man ihn bedrängte. Stumm drehte er sich um, nahm sich eine Decke vom Bett und legte sich kurzerhand auf den Boden. Und als Cathy sich ihm noch einmal zaghaft näherte, schloss er die Augen und tat, als ob er schliefe.

Kapitel 21
    Kapitel 21
    Jetzt lass mich schon rein, Bertha!«
    »Ich denke nicht daran!«
    »Aber du musst! Ich muss unbedingt mit Mr Ashworth sprechen.«
    »Nein!« Die Magd versuchte die Haustür zu schließen, aber Mary schob schnell ihren nackten Fuß dazwischen. »Wenn ich ihm morgen sage, dass du mich nicht hereingelassen hast, dann wird er bestimmt wütend sein. Du weißt doch, wie er schimpfen kann«, drohte sie listig, obwohl sie sich keineswegs sicher war, ob sie am nächsten Tag überhaupt noch Gelegenheit dazu haben würde, Entsprechendes weiterzugeben. Vermutlich eher nicht! Warum nur hatte er sie nicht in Schutz genommen, als Mrs Ashworth wie eine Furie auf sie losgegangen war?
    Bertha zögerte verunsichert. Auf keinen Fall wollte sie den Unwillen von Mr Ashworth auf sich ziehen. Es war immer furchtbar, wenn er wütend wurde – dann tobte er und schrie und manchmal warf er auch mit Gegenständen nach ihr. Ja, man konnte mit Fug und Recht sagen, dass sowohl die Köchin als auch sie Angst hatten vor Henry Ashworths Launen. Und die Sache vom Mittag war auch noch nicht ausgestanden. »Also gut«, lenkte sie schließlich ein, »aber du wartest in der Kammer dort, bis der Herr nach Hause gekommen ist. Sollte nämlich die Herrin ihn begleiten, darf sie dich nicht sehen.«
    Mary verdrehte die Augen. Als ob sie es darauf anlegen würde, dieser schrecklichen Frau noch einmal unter die Augen zu treten. Sie war doch nicht blöd! »Die kommt doch nie mit ihm hierher«, maulte sie dennoch der Form halber, zog sich dann aber bereitwillig in die kleine Gesindekammer bei der Treppe zurück, die Bertha ihr wies. So musste sie wenigstens nicht frierend auf der Schwelle der Tür warten, bis Henry Ashworth nach Hause kam. Er musste ihr einfach helfen! Hatte er ihr nicht versprochen, sich um sie und ihre Geschwister zu kümmern? Nur deshalb hatte sie es zugelassen, dass er all diese Dinge mit ihr tat. Dinge, die ihr – selbst jetzt, da sie allein in der kargen Kammer wartete – die Schamesröte auf die Wangen trieb, wenn sie nur daran dachte. Die neugierige Erregung, die sie anfangs empfunden hatte, als sie sich mit Henry Ashworth einließ, war längst dieser bohrenden Scham gewichen. Er war so viel älter als sie, älter als ihr eigener Vater gewesen war, und er war so ... so unersättlich. Aber er hatte ihr immer wieder Geld gegeben und feine Dinge zu essen angeboten, die sie noch nie gekostet hatte, sogar ein komisch prickelndes Getränk hatte er ihr einmal eingeflößt, das sie nach wenigen Schlucken schwindelig gemacht und in der Nase gekitzelt hatte. All das hatte ihr letztlich aber auch gefallen und da hatte sie eben getan, was er von ihr wollte und sich dabei bemüht, ihn zufriedenzustellen – selbst wenn sie sich danach in Grund und Boden schämte.
    Nachdenklich ließ Mary ihre eiskalten Zehen miteinander spielen. Schuhe waren ein Luxus, den sich kaum eines der Arbeiterkinder leisten konnte. Sie hatte einmal ein Paar besessen, aber die waren längst zu klein und die Mutter hatte sie den jüngeren Geschwistern gegeben. Wo die jetzt wohl waren?
    Schließlich setzte sie sich auf den einzigen Schemel und schob die Handflächen unter das Gesäß. Und wenn Henry Ashworth nun doch nicht Wort halten würde? Was sollte sie dann tun? Wieder zurück zu den Stantons gehen?
    Nein, auf keinen Fall!
    Diesen Triumph würde sie der dummen Cathy nicht gönnen, die immer so tat, als wäre sie ehrlich um sie besorgt und sich obendrein aufführte, als wäre sie ihre Mutter. Mochten Debby und William auch darauf hereinfallen, sie nicht! Aber wohin dann? Ihre Arbeit in der Fabrik war sie

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