Stadt der Sterne strava2
die Luft war frisch und sauber.
Ochsenkarren strömten herbei, voller Erde aus dem umliegenden Land, und Gruppen von Männern verteilten sie mit Rechen in einem breiten Streifen um die Piazza. Andere Männer waren damit beschäftigt, hölzerne Tribünen für die wichtigsten Gäste des Rennens zu errichten. Der Großteil der Remaner würde allerdings vom Inneren der Rennbahn aus zusehen.
Die größte Tribüne wurde vor dem päpstlichen Palast errichtet und jedes Gebäude, das einen Balkon mit Blick auf die Rennbahn hatte, war bereits mit den Fahnen des Bezirks geschmückt, den die Anwohner unterstützten. Der gesamte Campo leuchtete in bunten Farben.
Enrico freute sich ganz besonders auf das Rennen. Er schloss bereits Wetten über den Ausgang ab. Zwillinge und Jungfrau hatten natürlich die geringste Gewinnquote. Die Bewohner anderer Bezirke wollten auf ihre eigenen Pferde und Reiter setzen, aber manchmal schlossen sie auch noch kleine Zusatzwetten auf die Bezirke mit den höchsten Gewinnchancen ab. Die Remaner waren praktisch veranlagt. Allerdings wollten sie nicht dabei ertappt werden, unloyal zu wirken, daher mussten solche Wetten heimlich abgeschlossen werden.
Enrico hatte es sich angewöhnt, alle Bezirke der Stadt zu durchstreifen. Er trug einen Beutel voller Halstücher in den verschiedenen Farben mit sich herum, damit er das richtige Tuch tragen konnte, je nachdem, in welchen Bezirk der Stadt er sich gerade befand. Er sah das ausschließlich als Sicherungsmaßnahme an, denn er selbst unterstützte keinen speziellen Bezirk.
Die Tage verbrachte er jetzt immer in Remora, während er abends nach Santa Fina ritt, um Merla fliegen zu lassen. Sie hatte sich an ihn gewöhnt und es schien ihr nichts auszumachen, dass er sie ritt. Enrico wollte nicht mehr Zeit als unbedingt nötig im Haus der Chimici verbringen. Was dort mit dem Jungen geschehen war, hatte ihn zutiefst beunruhigt. Irgendwie hatte er das Gefühl, als hätte er es
verhindern können. Er stürzte sich unter anderem deshalb so sehr in seine Wettgeschäfte, um sich von den Gedanken an den blassen Jungen abzulenken, der bewusstlos im Pfleghof lag. Von seinem Herrn und Geldgeber sah er nichts.
Arianna konnte nicht schlafen. Sie stand auf dem Balkon ihres Zimmers im päpstlichen Palast. Der Campo lag im Mondlicht und überall am Rand standen kleine Menschengruppen um Pferde herum. Immer wieder fanden sie sich zu einer Startlinie zusammen und dann galoppierten die Pferde dreimal im Uhrzeigersinn um den runden Platz. Gelächter ertönte herauf und dennoch wirkte alles irgendwie geheimnisvoll.
Arianna beobachtete gerade eine seltsame Szene, als Rodolfo zu ihr auf den Balkon trat. Ein großes, kräftiges graues Pferd, das nicht so aussah, als könnte es an der Stellata teilnehmen, trug zwei Menschen, einen Mann und eine Frau. Sie waren fremdartig gekleidet, obwohl die Farben ihrer Gewänder im Mondschein blass wirkten.
»Wer sind denn die?«, fragte Arianna, während sich das Paar auf die Startlinie zugbewegte.
»Sie sehen wie Manusch aus«, sagte Rodolfo. »Die fahrenden Leute. Sie sind zum Fest ihrer Göttin hergekommen. Es findet am selben Tag wie das Rennen statt.«
Wieder schloss sich ein improvisiertes Rennen zusammen. Der große Graue gewann um eine Halslänge, wobei er die beiden Reiter mit solcher Leichtigkeit trug, als seien sie nur eine Person. Nachdem sie abgestiegen waren und die Frau den Mann vom Platz führte, zog Arianna die Luft ein.
»Er ist ja blind!«, sagte sie.
»Manusch können auf mehr Arten sehen als andere Leute«, sagte Rodolfo. »Aber ist es nicht Zeit für dich, schlafen zu gehen?«
»Ich konnte nicht schlafen«, antwortete Arianna. »Glaubst du, dass es richtig war, herzukommen?«
»Uns wird bestimmt nichts geschehen, falls du das meinst«, sagte Rodolfo. »Wie auch immer die Lage vorher war, Niccolò ist inzwischen viel zu sehr durch die Krankheit seines Sohnes abgelenkt, um Ärger zu machen.«
»Und wenn er schon vorher etwas angezettelt hat?«, fragte Arianna.
»Du meinst Gaetano? Macht er dir Ärger?«
Arianna zuckte mit den Achseln. »Es ist schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich mag ihn wirklich und nun ist er so niedergeschlagen wegen seines kleinen Bruders. Es wird schwer, ihn abzuweisen.«
»Glaubst du denn, dass sein Werben ehrlich ist?«
Arianna schwieg.
»Ich habe heute Morgen Luciano gesehen«, sagte Rodolfo.
»Wie geht es ihm?«, fragte Arianna leise.
»Er ist bekümmert. Er will dich
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