Stadt der Sterne strava2
»Das kleine Wunder.«
Er trat vor und streichelte dem Fohlen die Nase. Es schnaubte traurig vor sich hin.
»Nello!«, rief der Herzog. »Komm mal her.«
Sein Stallbursche trat aus der Dunkelheit.
»Euer Gnaden?«, sagte er und verbeugte sich.
»Was kannst du für das Kleine hier tun?«, fragte Niccolò.
»Es bläst ein wenig Trübsal, mein Herr«, sagte Nello.
»Nur natürlich«, stimmte Enrico zu. »Die Mutter fehlt ihm.«
»Aber es wird sich schon daran gewöhnen«, meinte Nello. »Keine Sorge, Herr.
Ich werde mich darum kümmern, als sei es mein eigenes Kind.«
»Ich ebenfalls, Herr«, versprach Enrico.
Der Herzog sah die beiden Männer an und ein Schauer überlief ihn. Aber auf ih
ren Sachverstand in Bezug auf Pferde konnte er sich verlassen.
»Wenn doch Georgia nur hier wäre«, sagte Cesare unglücklich.
»Was könnte sie denn tun, dessen wir nicht fähig wären?«, fragte Dethridge.
»Wahrscheinlich nichts«, sagte Cesare. »Ich würde ihr nur gerne das mit Merla erzählen.«
»Aber der Übergang hat sich doch eingespielt, nicht?«, sagte Lucien. »Seit ihrer ersten Stravaganza haben die Zeiten in den beiden Welten doch übereinge
stimmt. Wenn sie heute nicht hier ist, dann ist in ihrer Welt wahrscheinlich erst eine Nacht vergangen.«
»Nicht unbedingt«, sagte Paolo. »Sie könnte morgen zurückkommen und plötz
lich vier Jahre älter sein. Aber wahrscheinlich hast du Recht.«
Weder Lucien noch Cesare waren erfreut über die Vorstellung, dass Georgia älter als sie zurückkommen könnte.
Die Stimmung in den Stallungen des Widders war trostlos. Den ganzen Nachmit
tag hatten sie Santa Fina abgesucht und waren erst spät nach Remora zurückge
kommen. Am nächsten Morgen wollten sie mit ihrer Suche fortfahren. Keiner glaubte wirklich daran, dass Merlas Verschwinden ein Unfall gewesen war oder dass man sie durch die Landschaft irrend finden würde. Und selbst wenn sie um
herirrte – bestand dann nicht die Möglichkeit, dass ein zufälliger Finder sie ein
fach behielt, um seinem eigenen Haus Glück zu bescheren?
Wenn sie jedoch gestohlen worden war, dann musste das doch bedeuten, dass das Geheimnis des Widders bekannt war.
»Ihr seid sicher, dass keinem von euch etwas in Gegenwart der Chimici rausge
rutscht ist?«, fragte Paolo.
»Ganz sicher«, erwiderte Cesare. »Wir haben eigentlich überhaupt nicht über
Pferde geredet, oder?«
»Nein«, sagte Lucien. »Und selbst wenn, dann glaube ich trotzdem nicht, dass einer der beiden Prinzen etwas zu Herzog Niccolò gesagt hätte.«
»Du scheinst diese Chimici ja schon beinahe zu schätzen«, sagte Dethridge.
»Hast du vergessen, was sie dir angetan haben? Und der Duchessa?«
»Wie könnte ich?«, sagte Lucien. »Ich lebe jeden Tag mit dem Ergebnis ihrer Ta
ten. Aber die beiden jüngeren Söhne sind ganz anders als ihr Vater. Und als ihr Vetter vor allem. Ich glaube, beide machen sich nicht viel aus den Plänen der Familie.«
»Und doch würde der Ungestaltete eine Ehe mit der jungen Arianna eingehen, um seinem Vater zu gehorchen«, sagte Dethridge.
»Sieh an«, sagte Lucien gelassener, als er sich fühlte. »Ihr wisst also davon?«
Sein Ziehvater blickte verlegen drein. »Verzeih mir, Luciano. Meister Rudolphe hat es mir erzählt. Ich wollte nicht davon sprechen, aber du schienst dir so si
cher, dass der junge Adlige dein Freund sei. Ich kann nur eins sagen – er ist der Sohn seines Vaters und wird tun, was man von ihm verlangt.«
»Und was ist mit Arianna?«, fragte Lucien. »Was, meint Ihr, wird sie machen?
Sich an den Sohn verkaufen und ihre Stadt an den Vater? So etwas würde sie doch nie tun. Sie ist die Tochter ihrer Mutter.«
»Na also«, sagte Maura. »Wir stellen es in den Backofen zum Trocknen und morgen ist es fast wie neu.«
Georgias Pferd war wieder im Vollbesitz seiner Flügel und die Klebestellen konnte man nicht mal sehen. Maura hatte ihre Sache gut gemacht.
»Nein«, sagte Georgia. »Es verlässt nicht mein Zimmer.« Ihre Mutter seufzte.
»Wie du willst. Aber es braucht länger, um hart zu werden, wenn du es nicht an einen warmen Ort stellst.«
»Es kann auf der Fensterbank trocknen«, sagte Georgia. »Dann warte ich eben.
Russell bekommt es nicht mehr in die Finger. Du hast doch gesehen, dass er es mit Absicht kaputtgemacht hat.«
Das stimmte. Die Flügel hatten ausgesehen, als hätte sie jemand säuberlich von dem Pferderücken abgebrochen. Doch Maura wollte einfach nicht glauben, dass Russell zu
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