Stadt der Sterne strava2
du, dass sie ihn mögen wird, Papa?«, fragte er. »Ich kann mir nicht vorstellen, warum nicht – er ist doch so nett.«
»Mögen oder nicht ist unwesentlich«, sagte der Herzog. »Die Frage ist, ob ihr die anderen Bedingungen des Angebots zusagen.«
Falco kannte seinen Vater zu gut, um ihn zu fragen, was die anderen Bedingungen waren. »Glaubst du, sie freut sich auf das Rennen?«, wollte er stattdessen wissen.
»Wie könnte sie anders?«, sagte Niccolò. »Es ist der große Tag im Jahr der Remaner – für den die gesamte Stadt lebt und atmet.«
Falco hatte von seinem fünften bis zu seinem elften Lebensjahr jede Stellata miterlebt. Seit seinem Unfall hatte er es jedoch vermieden, zwölf jungen Männern dabei zuzusehen, wie sie auf herrlichen Pferden um den Campo stoben.
»Zum Rennen darf ich dich aber wieder holen, nicht wahr?«, sagte Niccolò. »Du hast gesagt, dass du es dir dieses Jahr ansehen willst, und ich bin sicher, dass es dir gut tun würde. Du kannst bei deinen Brüdern und mir und deinem Onkel und den anderen Ehrengästen auf der Tribüne sitzen.«
»Ja, Papa, ich komme«, sagte Falco, aber das Herz wurde ihm schwer, weil er wusste, dass er zum Zeitpunkt des Rennens vielleicht nicht mehr in Talia sein würde.
Raffaela war ein unerwarteter Gast in Paolos Haus, als Cesare, Lucien und Doktor Dethridge aus Santa Fina zurückkehrten. Die drei brachten keine guten Nachrich
ten mit. Und die Manusch-Frau schien bereits von ihren Nöten zu wissen.
»Aurelio hat mich geschickt«, sagte sie schlicht. »Er sagte, Ihr könntet vielleicht Hilfe brauchen.«
»Kann der Harfner hellsehen?«, fragte Paolo.
»Er kann sehen, was andere nicht sehen«, erwiderte Raffaela, »obwohl er nicht sehen kann, was andere sehen.«
»Erzähle es ihr«, sagte Lucien. »Den Manusch können wir vertrauen.«
»Uns ist etwas Wertvolles verloren gegangen«, sagte Paolo. »Ein ganz besonde
res Pferd. Das Fohlen ist erst eine Woche alt, aber schon größer als ein gewöhnli
ches Pferd in dem Alter. Es hat die Gabe, fliegen zu können.«
Raffaela wurde sehr still. »Ein fliegendes Pferd?«, sagte sie voller Ehrfurcht. »So etwas habt Ihr?«
»Wir hatten es«, erwiderte Cesare traurig.
»Es war unser gutes Omen«, ergänzte Paolo. »Im Widder geboren und dazu aus
ersehen, uns Glück zu bringen – so hofften wir. Jetzt liegen die Dinge anders.
Jemand hat das Glück vielleicht gestohlen.«
»Dann wird es demjenigen zum Unglück werden«, sagte Raffaela. »Wenn Ihr er
laubt, werde ich die Nachricht unter unseren Leuten verbreiten. Wir sind über die ganze Gegend verstreut; vielleicht hat jemand etwas beobachtet.«
»Woher kennst du diese Art von Pferd?«, wollte Lucien wissen.
»Wir kennen uns mit allen möglichen Pferden aus«, sagte Raffaela. »Das fliegen
de Pferd ist auch für die Manusch ein gutes Omen.«
Cesare zögerte. »Verzeih mir, dass ich frage«, sagte er. »Aber wenn deine Leute das fliegende Pferd auch so schätzen, würden sie es dem Widder denn trotzdem zurückbringen?«
Raffaela sah ihn ernst an. »Wir sind schließlich keine Diebe. Wir stehlen auch keine gewöhnlichen Pferde. Das Pferd mit Flügeln wäre für uns ein heiliges We
sen und wir würden es seinen ursprünglichen Wächtern zurückbringen.«
»Entschuldige«, sagte Cesare. »Ich möchte dir gerne trauen, aber ich mache mir solche Sorgen um Merla. Ich habe bei ihrer Geburt geholfen.«
»Ich verstehe dich«, sagte Raffaela. »Mir würde es genauso gehen.«
Es war nicht leicht gewesen, das geflügelte Pferd zu stehlen. Enrico hatte sich gegen Mitternacht wieder in den Büschen versteckt, während Diego das Fohlen hoch über dem Stall kreisen ließ. Die Longe war diesmal länger als zuvor und sie verwickelte sich leicht in den Baumkronen. Bei einer solchen Gelegenheit war Enrico aus seinem Versteck gekrochen und hatte die Leine durchtrennt, wobei er den Teil ergriffen hatte, an dem das geflügelte Pferd hing.
Das Fohlen hatte heftiger an der kürzeren Longe gezerrt, die es auf einmal in seinem Radius einengte, weshalb es schwieriger gewesen war, das Pferd vom Stall fortzuziehen. Enrico musste es ja von weit unten führen, bis sie auf einem freien Feld ankamen. Erst dort konnte er das Fohlen langsam heranziehen, bis es wieder auf festem Boden stand. Gleichzeitig war es praktisch unmöglich gewe
sen, das Pferd an dem sternlosen Himmel richtig zu sehen. Doch auf dem Boden faltete es die kräftigen schwarzen Schwingen zusammen und stand
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