Stadt der Sterne strava2
nicht müde ankam. Außerdem wollte sie andere Teile von Talia sehen. Rodolfo sollte sie begleiten und Gaetano würde nebenherreiten.
Es war das erste Mal, dass Arianna die Lagune verließ – ihr erster wichtiger Staatsbesuch, seit sie Duchessa geworden war. Ihre Zofe Barbara folgte in einer zweiten Kutsche, die für die Woche der Feierlichkeiten mit Truhen voller Gewänder beladen war. Die Truhen hatten allein schon drei Mandolas gefüllt, als die herzogliche Gesellschaft zum Festland übergesetzt wurde.
Die bellezzanische Staatskarosse war auf dem Festland untergestellt und wurde selten benutzt. Arianna hatte noch nie Pferde gesehen und war sogleich höchst beeindruckt von ihrer Größe und Kraft. Gaetanos Werbung tat es in ihren Augen keinerlei Abbruch, ihn auf seinem mächtigen Braunen zu sehen, den er auf dem Weg nach Bellezza drei Wochen zuvor in den herzoglichen Ställen zurückgelassen hatte. Arianna lächelte vom Fenster der Kutsche zu ihm empor.
»Ihr scheint an Pferde gewöhnt zu sein, Principe«, sagte sie.
»In der Tat, Euer Gnaden«, antwortete er förmlich. »Und so schön Eure Stadt auch ist, Pferde sind das Einzige, was ich dort vermisst habe.«
»Ich bin froh, dass alles andere zu Eurer Zufriedenheit war«, erwiderte sie und zog die Gardine vor.
»Wie heißt du?«, fragte Vicky, nachdem sie Falco auf einen Küchenstuhl gesetzt hatte. »Kannst du dich an deinen Namen erinnern?«
»Nicholas Herzog«, sagte Falco und sprach den Namen sorgfältig aus, auf den er sich mit Georgia geeinigt hatte. Er kam ihm nicht ganz leicht über die Lippen, aber er konnte ihn auf jeden Fall behalten.
»Nicholas«, sagte Vicky. »Kannst du uns was von dir erzählen?«
Falco schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er aufrichtig. »Über deine Eltern?« Wieder schüttelte er den Kopf.
»Wie hast du dein Bein verletzt?«, fragte sie beharrlich weiter.
»Ich glaube, es war ein Reitunfall«, sagte Falco. »Und wie bist du hierher gekommen?« Falco sah Georgia flehend an. »Ich kann es nicht erklären«, sagte er und spürte, wie ihm die Tränen hochstiegen. Vicky machte ein bestürztes Gesicht. Sie hörte auf zu fragen und setzte Wasser auf. »Ich glaube, du hast Recht, Georgia«, sagte sie leise, »wir müssen die Polizei einschalten und so bald wie möglich nach seinen Eltern fahnden. Aber erst mal trinken wir Kaffee. Er sieht ja ganz erschöpft aus.« Sie brachte ein Tablett ins Wohnzimmer, wo sich ihr Klavier und ihre Geigen befanden. Doch dann ließ sie es fast fallen, als sie hörte, wie Falco hinter ihr nach Luft schnappte. Er starrte auf das Bild auf dem Klavier. Es war zwar schon älter, aber es zeigte ganz unverkennbar den Stravagante Lucien.
Vicky stellte das Tablett ab und half Falco in einen Sessel. »Wie ich sehe, schaust du das Bild an«, sagte sie. »Das ist mein Sohn Lucien. Er ist letztes Jahr… gestorben.«
»Er lebt jetzt an einem anderen Ort«, sagte Falco und Georgia trat ihm ans Schienbein.
Vicky war blass geworden und setzte sich. »Das hat ein seltsamer Mann bei der Trauerfeier auch gesagt«, murmelte sie zitternd. »Was bedeutet es nur?« Sie strich sich über die Augen. »Manchmal bilde ich mir ein, dass er tatsächlich noch in einer anderen Welt lebt. Ich habe mir sogar eingebildet ihn gesehen zu haben.« Sie warf den beiden einen vorsichtigen Blick zu, um festzustellen, wie sie darauf reagierten. »Ich glaube, dass ist nur so eine Redensart«, sagte Georgia schnell. »Vielleicht ist er fromm.« Und sie warf Falco einen warnenden Blick zu.
»Heute hatten wir einen ganz außergewöhnlichen Fall«, sagte Maura beim Abendessen. »Die Polizei rief wegen einem Jungen an. Er hat sein Gedächtnis verloren und scheint von seinen Eltern verlassen worden zu sein.«
»Meine Güte«, sagte Ralph. »Wie alt ist er?«
»Dreizehn«, sagte Maura. »Das behauptet er wenigstens. Ist aber klein für sein Alter. Und auch noch behindert. Muss mit Krücken gehen. Aber was ganz seltsam ist: Man hat ihn bei Georgias Geigenlehrerin Vicky Mulholland abgegeben.«
Georgia hatte das Gefühl, die Spagetti in ihrem Mund würden zu Beton. Sie schluckte heftig. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, wo sie mit der Sprache herausrücken musste. Aber Russell hörte zu und war nicht so geistesabwesend, wie meistens während der Mahlzeiten.
»Ach ja, genau, er ist mir über den Weg gelaufen, als ich an ihrem Haus vorbeikam«, sagte sie. »Ich habe sie gebeten die Polizei zu verständigen.«
Alle drei wandten sich ihr
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