Stadt der Sterne strava2
Duchessa. Doch jetzt setzte ihn der Herzog ziemlich unter Druck, ihm alles über Luciano zu erzählen.
»Du hast ihn in Händen gehabt und wieder entkommen lassen?«, fragte Niccolò ungläubig. »Obwohl du gewusst hast, dass er ein Stravagante aus einer anderen Welt ist?«
»So lautete der Verdacht, Onkel. Aber wenn er das war – und ich selbst habe ihn ohne Schatten gesehen –, dann ist er das jetzt nicht mehr. Irgendwas muss an den Plänen des alten Zauberers Rodolfo schiefgegangen sein. Wie ich gesagt ha
be, bei der Vorladung vor Gericht hatte der Junge plötzlich wieder einen Schat
ten.«
»Und was war mit dem Buch?«, fragte Niccolò. »Du hast gesagt, dass er ein No
tizbuch hatte, das er nie aus den Augen ließ und das mit seinen magischen Kräf
ten zu tun hatte.«
Rinaldo rückte ungemütlich auf dem Stuhl hin und her. »Das habe ich noch, On
kel, aber wir konnten nichts damit anfangen und auch nichts daraus ersehen. Ich vermute, wir sind einem Trick aufgesessen.«
»Und dann hast du ihn entkommen lassen?«, fragte Niccolò.
»Wir konnten ihn nicht ewig festhalten«, sagte Rinaldo.
»Du hättest ihm die Kehle durchschneiden sollen, solange er in deinen Händen war«, sagte Niccolò. »Wenn du das getan hättest, würde mein Junge jetzt nicht bewusstlos da oben liegen.«
Ein Lakai trat ein. »Die jungen Männer, nach denen Ihr geschickt habt, sind hier, Euer Gnaden.«
»Du kannst gehen, Rinaldo«, sagte der Herzog eisig.
Lucien erschrak, als er seinen alten Gegner, den Botschafter, durch die Tür kommen sah. Georgia hatte Rinaldo noch nie gesehen und wusste nichts von sei
nen Machenschaften. Sie sah nur einen etwas schwächlichen und unruhigen jun
gen Mann, der in einer Wolke von Duft an ihnen vorbeiging.
Während der nächsten zwanzig Minuten fragte der Herzog sie unbarmherzig nach Falco aus. Warum sie ihn so oft besucht hatten? Worüber sie geredet hatten?
Was sie vom Geisteszustand seines Sohnes hielten?
Niccolò war mit ihren Antworten keineswegs zufrieden. Das war nur natürlich, denn Lucien und Georgia mussten ihm ja Lügen auftischen, um Falcos Wünsche zu respektieren. Aber es war sehr schwierig, dem Herzog etwas vorzumachen.
Sie hatten das Gefühl, dass sie Glück hatten, unversehrt zu entkommen, abge
sehen von seinen Drohungen.
»Versucht auf keinen Fall Remora zu verlassen«, sagte er kalt. »Ich lasse die To
re der Stadt für euch sperren. Und wenn mein Sohn nicht gesund wird, dann könnt ihr vielleicht nie mehr hinaus.«
Als Lucien und Georgia gegangen waren, barg er den Kopf in seinen Händen.
Der Reiter aus Remora hatte sich nicht geschont. Er wechselte viele Male wäh
rend der Reise die Pferde und stieg mitten in der Nacht vor dem Gasthof in Vola
na ab. Der verschlafene Gastwirt war äußerst unsicher, ob er den jungen Prinzen wecken durfte, doch er ließ sich schließlich überzeugen, dass es sich um eine dringende Angelegenheit handelte. Minuten später setzte sich Gaetano in seinem Bett auf und rieb sich die Augen, während er zu begreifen versuchte, was für ei
ne Nachricht ihm der Bote da überbrachte.
Eine elegante Kutsche fuhr in den frühen Morgenstunden des Mittwochs durch das Sonnentor. Die Gardinen waren vorgezogen, sodass die beiden Insassen nicht gesehen werden konnten, aber auf dem Dach war eine Menge Gepäck auf
getürmt und neben dem Kutscher saß ein Lakai in schmucker Livree. Er war hoch gewachsen und dünn und hatte rotes Haar, was in Talia eine seltene und daher geschätzte Farbe war.
Die Kutsche ratterte durch die menschenleeren Kopfsteinpflastergassen, bis sie den Bezirk des Widders erreichte. Vor einem hohen Haus in der Via di Montone, der Straße des Widders, hielt sie an, und der rothaarige Diener sprang herab. Die Gardinen wurden zurückgezogen und das Fenster heruntergelassen, damit er mit seiner Herrschaft reden konnte.
Dann betätigte er den Türklopfer und trat in das Haus, um zu überprüfen, ob al
les in Ordnung war. Erst nachdem das Haus gründlich untersucht worden war und als geeignet angesehen wurde, half er einer Reisenden aus der Kutsche. Sie war eine schöne Frau mittleren Alters mit schlanker Figur in einem grauen Reise
kleid aus Samt. Dazu trug sie einen Schleier. Ihr folgte eine Zofe mit verschiede
nen kleineren Koffern und Taschen, die ihr der Diener galant abnahm. Unbe
merkt betraten die drei das Haus. Nur zwei Tauben und eine graue Katze, so schlank wie die elegante Fremde, sahen ihnen zu.
Die nächste Woche
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