Stadt der tausend Sonnen
Verwahrung.«
»Mir fehlen meine Taschen«, sagte Alter ein wenig kläglich lachend.
Das Videofon summte. Die Herzogin sagte: »Alle königlichen Jachten sind ausgelaufen. Ich konnte gerade noch eine Passage für euch auf einem Tetronfrachter bekommen.«
7.
Eine Sirene heulte im Dunkeln. Ein Hauptrohr war gebrochen und das Wasser, das herausströmte, floß schwarzglitzernd durch die Straße. Orange Halbmonde von den reflektierten Flammen brennender Häuser, Straßen entfernt, kräuselten sich auf dem Naß der Bürgersteige.
Eine weiße Gestalt mit einem Blechreifen im Haar taumelte über das Pflaster. Der vollgesogene Saum des Bettuchs, in das sie sich gewickelt hatte, platschte gegen ihre Beine. Sie drehte sich um und rief etwas über ihre Schulter. Planschende Schritte folgten ihr in das Licht.
Mehrere Männer und Frauen kamen zögernd, in der Helligkeit blinzelnd, heran. Ein junger Bursche, dem das Haar ins Gesicht hing, hatte in großen Lettern in Brusthöhe »Station 739« auf den Pyjama gedruckt. Wimmernde Schreie drangen aus seinem weitgeöffneten Mund. Mit schmutzigen Fingern drehte er ständig an seinem Ohrläppchen.
Etwas zappelte in ihrer Mitte. Zwischen den anderen befand sich ein seltsames Duo: ein schwammiger Mann in klatschnasser Pyjamahose, der einen kleineren, schmächtigen Mann in Weiß an sich gedrückt hielt. Dieses Weiß war nicht etwa ein Nachthemd oder ein schnell umgeworfenes Bettuch, sondern ein kurzärmeliger Arztkittel, der jetzt zerknittert und ebenfalls naß war. Der Doktor blinzelte kurzsichtig, er hatte offenbar seine Brille verloren. Seine Hände waren auf den Rücken gebunden. Der Schwammige hielt ihn nur mit einer Hand fest, während er ihm die andere immer wieder wie einen Hammer auf den Kopf hieb. Der Arzt sank auf dem überschwemmten Pflaster in die Knie. »Bitte, hört auf …«, begann er und hob den Kopf, daß die Sehnen sich am Hals abzeichneten, um die große Frau zu beobachten. »Hört, ihr seid alle nicht gesund, keiner von euch … Laßt euch von mir zurückbringen …«
Die große Frau suchte in den Falten ihres Bettuchumhangs herum. Wütend schrie sie: »Sorgt dafür, daß er den Mund hält!« Der Schwammige stieß dem Arzt den Fuß in den Rücken und überschlug sich fast vor Lachen, als der andere mit dem Gesicht ins Wasser tauchte. Dann zerrte er ihn wieder hoch.
»Ich kann es nicht finden!« kreischte die Frau. Ihr Gesicht wurde erst weiß, dann rot. »Oh, ich kann es nicht finden. Wer hat es mir gestohlen? Wollt ihr vielleicht sofort antworten! Wißt ihr denn nicht, wer ich bin! Wie könnt ihr es wagen, mich so zu behandeln! Habt ihr denn überhaupt keinen Respekt mehr?«
Verzweiflung übermannte den knienden Arzt, während das Wasser kalt an ihm vorüberfloß. »Hilfe!« schrie er in die Finsternis. Sein Schrei, der an niemanden direkt gerichtet war, bedeutete auch keine Bedrohung für irgend jemanden. Der Schwammige legte interessiert seinen Kopf schief und beobachtete ihn, während der Arzt weiter um Hilfe schrie, dann lachte er und kaute an seinem Daumennagel.
Ein Polizist in grünem Regenumhang und hohen Gummistiefeln watete aus einer Nebengasse. »He, seht zu, daß ihr weiterkommt!« befahl er. »Das ganze Gebiet bleibt evakuiert, bis das Rohr repariert ist. So, und jetzt verschwindet von hier. Beeilt euch, sonst nehme ich euch aufs Revier mit!«
»Sie haben es mir schon wieder gestohlen!« kreischte die Frau und betastete hektisch ihr Bettuch. »Ich kann es nicht finden. Sie haben es mir schon wieder weggenommen! Warum geben Sie es mir nicht zurück!«
»Helfen Sie mir, bitte!« wimmerte der Arzt.
Der junge Bursche mit dem Haar im Gesicht und »Station 739« auf der Pyjamabrust schluchzte und drehte sein Ohrläppchen.
Der Polizist kam näher. »He, was ist los mit euch? Seid ihr aus dem Irrenhaus ausgebrochen?«
Eine junge Frau löste sich von den anderen und lief auf ihn zu. Sie gurrte wie eine Taube. Als sie unter einer Straßenlampe vorbeikam, bemerkte der Polizist, daß sie recht hübsch gewesen wäre, hätte sie nicht Triefaugen gehabt. Gurrend legte sie die Arme um seinen Hals und schmiegte den Kopf an seinen nassen Regenumhang.
»He, was zum Teufel …«
Die große Frau kam drohend auf ihn zu. »Junger Mann, wissen Sie überhaupt, mit wem Sie sprechen?«
»Der Königin von Saba, meinetwegen! Ich sagte ihr lediglich …« Er taumelte, als die junge Frau an seinem Hals sich wie ein Uhrenpendel hin und her schwang.
»Die
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