Stadt der tausend Sonnen
Gruppe sah nicht wie Dissis aus. Also gingen Jon und Alter weiter und runzelten die Stirn. Sie waren absolut unvorbereitet, als die große Frau plötzlich mit einem zitternden Finger wild auf sie deutete und schrie: »Natürlich! Sie müssen es haben! Schnell! Packt sie, ehe sie entkommen können!«
Jemand machte einen Hechtsprung auf Jons Beine, daß er fiel. Ein anderer zerrte Alter am Arm, und drei Hände faßten sie an der Schulter.
Als ihr Verstand wieder arbeitete, rief sie: »Jon, schau! Die Frau!« Sie versuchte die haltenden Finger zu ignorieren. Ihre Hände und Unterarme waren frei. Unwillkürlich tastete ihre Linke nach dem rechten Ellbogen, als schmerze er – oder als erinnerte sie sich an einen Schmerz.
»Großer Gott!« entfuhr es Jon. »Das ist die Königinmutter! König Lets Mutter!«
»Aber sie ist doch in der Psychostation …«
»… von Humanmedizin …«
Noch ehe Jon den vor ihr begonnenen Satz beendet hatte, wurde Alter klar, was diese Menschen waren. Im gleichen Augenblick schlug eine Faust so hart gegen Jons Schläfe, daß er bewußtlos in die Arme des Mädchens mit den triefenden Hundeaugen sank, die wieder zu gurren begonnen hatte.
Die Frau mit der Blechkrone rannte auf Jon zu, dann blieb sie dicht vor ihm stehen und deutete mit ausgestrecktem Arm auf ihn. »Er hat es gestohlen!« Sie kauerte sich vor ihn. »Also gut, was hast du damit gemacht? Wo hast du es versteckt? Antworte! Ich befehle es dir! Weißt du nicht, wer ich bin?« Sie sprang auf und griff nach der Energieklinge in der Hand des Burschen …
»Eure Majestät!« rief Alter erschrocken. »Eure Majestät, bitte …« Sie hielt immer noch ihren Ellbogen, und ihre letzten Worte waren nur noch ein verstörtes Flüstern gewesen.
Die Klinge blieb in der Luft. Der Kopf der Alten drehte sich. »Du – du hast mich Majestät genannt«, sagte sie mit eigentümlicher Stimme. »Du hast mich Majestät genannt! Weißt du denn wirklich, wer ich bin?«
»Sie sind – die Königinmutter, Eure Majestät. Bitte, tun Sie ihm nichts.«
Die Klinge senkte sich. Die alte Frau richtete sich hoch auf. »Ja«, murmelte sie. »Ja, das stimmt. Aber er hat es mir gestohlen. Ganz sicher.« Ihre Augen richteten sich auf Alter. »Ich bin die Königin. Ja. Doch keiner von ihnen glaubt es mir.« Sie deutete auf die Gruppe um sich. »Ich habe es ihnen immer wieder gesagt. Aber sie glauben es mir nicht wirklich. Oh, sicher, sie gehorchen mir gewöhnlich, wenn ich ihnen etwas befehle, weil ich sehr ärgerlich werde, wenn sie es nicht tun. Aber sie – glauben mir nicht wirklich.« Sie nahm den Blechstreifen vom Kopf. »Siehst du, sie haben mir meine Krone weggenommen. Ich mußte mir selbst einen Ersatz dafür machen. Aber wie soll jemand erkennen, daß ich tatsächlich die Königin bin, wenn ich nur eine Blechkrone trage?«
Alter schloß den Mund, öffnete ihn wieder, dann sagte sie:
»Ich weiß es, Eure Majestät. Und was die Krone betrifft, wofür sie gilt, ist von Bedeutung, nicht das Ding selbst.«
Ein Lächeln breitete sich über die Züge der Frau. »Ja, das stimmt. Du weißt also wirklich, wer ich bin?« Sie setzte sich den Blechreif wieder auf und griff nach Alters Hals. Alter wich in den Armen des Mannes und der beiden Frauen zurück, die sie hielten, aber die Finger der Königin berührten bereits das Lederband mit den aufgereihten Muscheln. »Das ist ein sehr schöner Schmuck«, sagte sie. »Mir ist – als erinnere ich mich daran. Habe ich selbst so eine Kette? Vielleicht habe ich sie – versehentlich zerbrochen? Vor langer Zeit?«
»Vielleicht«, flüsterte Alter.
»Sie müssen eine Gräfin sein«, sagte die alte Frau plötzlich, vom Du auf Sie übergehend. »Oder eine Prinzessin der königlichen Familie, daß Sie solch kostbaren Schmuck tragen.«
»Nein, Eure Majestät.«
»Aber er kommt aus der See. Zumindest eine Herzogin oder … Doch als Aristokratin fragt man nicht nach der Stellung einer anderen.« Sie nahm die Finger von der Kette. »Es genügt mir, zu wissen, daß Sie von meiner Familie sind.« Sie drehte sich wieder zu Jon um. »Aber er! Er hat es mir gestohlen, das weiß ich. Ich werde ihn töten, wenn er es mir nicht zurückgibt!«
»Eure Majestät!« rief Alter. »Er ist mein Freund. Er ist nicht weniger aristokratisch als ich.«
»Wirklich?«
»O ja, Eure Majestät. Er hat ganz gewiß nichts von Ihnen gestohlen.«
»Sind Sie sicher?«
»Ganz sicher.«
»Aber wo kann es dann sein? Jemand muß es doch haben!«
»Was
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