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Stadt der tausend Sonnen

Stadt der tausend Sonnen

Titel: Stadt der tausend Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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tun.«
    »Das ist schon ein Anfang«, warf Vol ein. »Ich höre.«
    »Nun, im Grunde wären Sie lediglich frei, sich mit Ihrer Arbeit zu befassen oder nicht, und als zweites stünde es Ihnen frei, Ihre Arbeit der Menschheit zu widmen – nein, nicht der Menschheit, sondern einer Konzeption, nicht, was die Menschheit ist, sondern was sie sein könnte.«
    »Gut«, sagte Vol. »Du sprichst jetzt zu mir und Clea. Du mußt es näher erklären.«
    »Ich meine es so. Wenn du ein Gedicht schreibst, Vol, widmest du es dem idealen Leser, einem der all die rhythmischen Feinheiten heraushört, der auf die bildliche Darstellung eingeht, der alle Hinweise versteht, ja, der sogar imstande ist, dich bei einem Fehler zu ertappen. Für diesen Leser schreibst du, auf ihn hoffst du, wenn du manchmal viele Stunden über einer Zeile sitzt, um sie vollkommen zu gestalten. Nun weißt du selbst, daß es auf der ganzen Welt nicht viele derartige Leser gibt. Aber du mußt dich selbst überzeugen, daß er existieren könnte – mehr noch, daß jeder Mensch auf der Straße mit der richtigen Ausbildung zu diesem idealen Leser gemacht werden könnte. Wenn du nicht an seine Existenz glaubtest, würdest du nicht versuchen, perfekte Gedichte zu schreiben. Wenn Clea eine Theorie vorträgt, versucht sie, sie so klar und scharf zu formulieren, wie sie nur kann. Sie weiß, daß eine ganze Menge Leute nicht imstande sind, sie zu verstehen oder irgend etwas daraus zu machen. Aber sie überprüft sie immer wieder für die vielleicht einzige Person, die fähig ist, ihr gesamtes Konzept aufzunehmen. Und genauso mache ich es. Ich überprüfe immer wieder aufs neue meine historische Theorie auf kulturelle, sexuelle, emotionale Vorurteile für den idealen Menschen, der idealerweise vorurteilslos ist. Sich diesem Konzept hinzugeben, bedeutet nicht, daß du mit deiner Arbeit versuchst, andere zu lehren, ideal zu sein. Das wäre Propaganda. Und da die meisten Künstler und Wissenschaftler vom Ideal selbst ziemlich weit entfernt sind, sind sie mehr oder weniger schon von Anfang an geschlagen, wenn sie diesen Weg beschreiten. Man muß den Menschen nehmen, wie er ist, denn selbst in all dem Chaos kann er ideal sein.«
    Jetzt drehte Vol sich zu Jon um. »Na, was sagt Ihnen das?«
    »Daß ich frei bin, zu versuchen, dieses Ideal zu erreichen«, erwiderte Jon. »Aber wir müssen uns doch mehr oder weniger nach eurem Beispiel richten.«
    Wieder lachte Vol.
    »Wird die Maschine auch mehr Kopien für dich machen, wenn du sie bittest?«
    »Natürlich«, erwiderte Clea. »Weshalb?«
    »Ich hätte gern eine Kopie von jedem, nur um festzustellen, wie nahe ich an den idealen Leser herankomme.«
    Ein wenig verwirrt drückte Clea auf einen Knopf an der Konsole, und das Fach begann sich erneut mit Papier zu füllen.
    »Ist das Transitband von dieser Seite aus betriebsbereit, Clea?« fragte Jon.
    »Im Palast war es blockiert«, erinnerte ihn Alter.
    »Kann es hier benutzt werden?«
    »Ja, ohne weiteres«, versicherte ihm Clea.
    »Ich möchte lesen, und vielleicht finde ich den richtigen Weg, euer idealer Leser zu werden.« Er wandte sich an Alter. »Und ich möchte Arkor suchen.«
    »Den Telepathen?« fragte Catham.
    »Richtig.«
    »Weshalb?«
    »Es hängt mit der Wahrnehmung zusammen.« Jon blickte auf die Papiere in seiner Hand. »Ich möchte sie ihm bringen, ihm die Möglichkeit geben, sich als idealer Leser zu versuchen – und sehen, ob er nicht vielleicht eine Aufgabe stellen kann.«
    »Aufgabe?« fragte Catham verwundert.
    Jon nickte. »Eine Aufgabe, die darauf aufbaut. Und wenn ich – wir – sie bekommen, kehre ich damit zurück und füttere sie dem Computer.«
     
    Während Clea sich um das Transitband kümmerte, erzählten Jon und Alter Nonik von ihrer Reise. Er lehnte sich über das Geländer und schüttelte den Kopf. »Aber ist denn überhaupt etwas wirklich?« rief er. »Machen Sie sich denn nie Gedanken darüber?«
    Jon und Alter blickten ihn erstaunt an.
    »Wir alle existieren doch nur im Geist Gottes, das jedenfalls glaubt ein alter Philosoph. Wir entstammen vielleicht lediglich der psychotischen Idee eines wahnsinnigen kosmischen Geistes. Möglicherweise einem in hohem Maß neurotischen Gehirn, ein wenig selbstzerstörerisch und manisch-depressiv veranlagt. Würde das nicht genau meine Existenz definieren?« Er lachte. »Strahlen göttlicher Einsicht!« Jetzt spuckte er über das Geländer. »Oder vielleicht existieren wir jeder nur im Gehirn der anderen? Sind Sie

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