Stadt der Toten
Was soll das? «
» Erinnerst du dich nicht mehr? Du warst im Wrack eines Autos. AuÃerdem hat man dich angeschossen. «
» I-ich⦠« Frankie setzte ab und bäumte sich gegen ihre Fesseln auf. » Was ist mit den anderen? Mit Jim und seinem Jungen? Und dem Prediger? «
» Ich fürchte, nur du bist übrig, Frankie. Du und das Baby. «
» Baby? «
» Ja. Du liegst in den Wehen. Das Baby ist alles, was du noch hast. «
» Aber⦠«
» Du solltest dankbar sein « , unterbrach er sie, während eine Krankenschwester neben ihm auftauchte. » Die meisten Heroinabhängigen haben Spontanfehlgeburten. Du kannst dich glücklich schätzen, dein Kind über die ganze Schwangerschaft gebracht zu haben. Ich persönlich halte das für eine Schande. Du verdienst es nicht. «
» Aber ich⦠«
Jäh verstummte sie, da ihr ein plötzlich auflodernder Schmerz die Worte abschnitt. Sie krümmte sich auf dem Tisch und knirschte mit den Zähnen. Die Kontraktion durchlief ihren Körper.
» Pressen. «
Frankie tat, wie ihr geheiÃen. Sie presste mit aller Kraft, bis ihr Rückgrat sich anfühlte, als müsste es brechen. Und etwas brach tatsächlich. Selbst durch die Schmerzen hindurch spürte sie es. Die Qualen schwollen zu einem Crescendo an, ehe der Druck urplötzlich verpuffte. Frankie weinte.
Frankie schrie, doch das Babyâ ihr Babyâ tat es nicht. Es gab keinen Laut von sich. Sie verrenkte sich den Kopf, wollte unbedingt sehen, was los war, aber die Krankenschwester riss das winzige Bündel weg.
» Hey « , krächzte sie, » was macht die Schlampe mit meinem Baby? «
Der Arzt legte ihr eine behandschuhte Hand auf die Stirn. Auf dem Latex glitzerte ihr Blut.
» Es ist hungrig. Wir füttern es. Dein Baby gehört zu uns. «
Die Stimme des Arztes veränderte sich. Das Fleisch schälte sich in feuchten Streifen von seinem Gesicht. In seiner freien Hand tauchte eine Injektionsnadel auf.
» Es gehört zu uns. Es gibt viele von uns. Mehr, als du dir vorstellen kannst. Mehr als unendlich « ,zischte er.
» Nein. Bleib mir damit vom Leib. «
» Sei still. Das tut gar nicht weh. Ich versprechâs. «
Frankie presste gegen die Fesseln. Die Muskeln an ihren Armen und ihrem Hals traten angespannt hervor, als die Nadel sich näherte. Auf der Spitze bildete sich ein Flüssigkeitstropfen.
» Jim! Martin! Hilfe! Sie haben mein Baby. «
» Ich sagte, halt still « ,knurrte der Zombiearzt. Sein Gestank durchflutete den Raum und überlagerte die Gerüche von Desinfektionsmittel, Latex und Blut.
Plötzlich löste sich der Riemen um Frankies Arm, als sie daran zerrte. Sie riss der Kreatur die Chirurgenmaske vom Gesicht. Die Lippen blieben daran kleben und zogen sich wie Karamell.
» Jetzt hast du mich richtig wütend gemacht « ,lallte der Zombie. Die Lippen der Kreatur fielen zu Boden. An ihrer Stelle traten fauliges, geschwüriges Zahnfleisch und eine gräuliche Zunge zutage.
» Gib mir mein Baby zurück, du Dreckskerl! «
Die restlichen Riemen gaben nach, als Frankie sich vom Tisch rollte. Sie schlug heftig mit dem Kopf auf dem Boden auf. Die Kreatur stürzte mit dolchartig gezückter Injektionsnadel auf sie zu. Frankie sprang auf die Beine und sorgte dafür, dass der Tisch zwischen ihnen blieb.
» Das geschieht nicht wirklich « , spie sie dem Ding entgegen. » Du bist nicht echt! Mein Baby war schon tot. Es ist damals in Baltimore gestorben. «
» Ja, du hast recht. Und jetzt bist du mutterseelenallein. Arme Frankie. Frankie, der Junkie. Frankie, die Hure. Ganz allein. Und du würdest immer noch sterben für einen Schuss, ob du es wahrhaben willst oder nicht. Du würdest dafür sterben. Allein in einer toten Welt. «
Frankie rannte zur Tür. Der Zombie hetzte hinter ihr her. Als das Ding auf den Flur schlurfte, rammte Frankie es mit einer Rollbahre. Der Zombie stürzte rücklings auf den Linoleumboden des Kreissaals zurück. Frankie preschte den Flur hinab, von einem verwinkelten Korridor zum nächsten.
SchlieÃlich blieb sie stehen, um zu Atem zu gelangen. Zitternd verschränkte sie die Arme unter der Brust. Im Krankenhaus war es kalt, so kalt, dass sie im Neonlicht ihren Atem sehen konnte. Sie sah sich um und versuchte, sich zu orientieren. Abgesehen von ihren eigenen Schritten war es still im Gang.
Vor
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