Stadt der Vampire
dem Dielenboden bequem machte. »Aber wie stellst du dir das mit dem Vampirjagen vor? Sollen wir uns morgen alle mit Holzpflöcken und Hämmern bewaffnen und jeden Sarg im Dorf aufbrechen, um nachzusehen, ob da ein Mann mit spitzen Eckzähnen drinliegt?«
Justus und Bob lachten.
»Nein«, sagte der Erste Detektiv, »nichts dergleichen. Zunächst einmal gilt es herauszufinden, was sich tatsächlich hier abgespielt hat. Wir kennen bisher nur die Version von Josy. Nicht, dass ich ihr nicht glaube, aber ich denke, es wäre gut, über die Vorkommnisse auch aus einem anderen Mund zu hören. Und vor allem sollten wir jeden einzelnen der noch verbliebenen Einwohner näher kennenlernen. Wer weiß, vielleicht ergeben sich daraus dann schon die ersten Anhaltspunkte.«
»Du denkst, dass einer von ihnen hinter der Angelegenheit steckt?«, fragte Bob.
»Das könnte durchaus sein«, antwortete Justus. »Zumindest sollten sich unsere Ermittlungen zunächst einmal darauf konzentrieren. Es ist allerdings auch nicht ausgeschlossen, dass jemand für die Begebenheiten verantwortlich ist, der schon längst nicht mehr hier wohnt.«
»Jetzt wartet doch mal!«, protestierte Peter. »Angelegenheiten! Begebenheiten! Tut doch nicht so, als hätten wir es hier mit einer geklauten Handtasche zu tun, die jemandem im Schlussverkauf am Wühltisch gemopst wurde! Wie wir alle gehört haben, geht es vielmehr um drei Menschen, die angeblich von einem Vampir gebissen wurden, der sich nachts als gigantische Fledermaus herumtreibt! Ist euch eigentlich schon mal in den Sinn gekommen, dass hier unter Umständen tatsächlich Mächte im Spiel sind, mit denen wir uns besser nicht anlegen sollten?«
Justus setzte einen mitleidigen Blick auf. »Ach Peter!«, seufzte er. »Du bist im Grunde genommen so ein schlaues Kerlchen. Wieso vertraust du nicht einfach mal deinen geistigen Kräften und bedienst dich deines gesunden Menschenverstandes, anstatt dich immer gleich dem nächstbesten Aberglauben in die Arme zu werfen?«
Peter antwortete nichts hierauf und grinste Justus nur müde an. Er hatte diese oder ähnliche Diskussionen mit ihm schon sehr oft geführt und wusste daher, dass er den Ersten Detektiv nicht würde überzeugen können. Justus würde nie an den Regeln der Vernunft zweifeln und auch nur im Traum daran denken, dass es etwas gab, was sich nicht rational erklären ließ. So viel stand für Peter fest.
Aber eines Tages, dessen war sich Peter sicher, würde er eines Besseren belehrt werden. Und vielleicht war dieser Tag schon gar nicht mehr so fern …
Zehn kleine Negerlein
Peter tat in der folgenden Nacht kaum ein Auge zu. Immer wieder fuhr er aus dem Schlaf hoch, weil er irgendein verdächtiges Geräusch glaubte vernommen zu haben. Einmal knarrte die Treppe, dann quietschte irgendein Fensterladen, obwohl sich der Wind mittlerweile wieder gelegt hatte, und kurz nach drei Uhr morgens hätte er schwören können, dass jemand auf dem Dach war. Aber jedes Mal kehrte nach ein paar Sekunden wieder absolute Ruhe ein, sodass sich Peter doch nicht sicher war, ob er wirklich etwas gehört hatte oder ob ihm nur seine Phantasie einen Streich gespielt hatte.
Als Josy die drei ??? kurz nach Sonnenaufgang schließlich weckte, fühlte sich der Zweite Detektiv daher wie gerädert, weil er kaum geschlafen hatte. Aber auf der anderen Seite war er auch heilfroh, dass er die Nacht unbeschadet überstanden hatte.
Die drei Jungen trotteten müde die Treppe hinunter und halfen Josy beim Frühstückmachen. Erleichtert stellten sie fest, dass sich wie schon im übrigen Haus auch durch die Küche keine Knoblauchlianen schwangen. Zwar hing ein Kreuz an der Wand und über der Anrichte befand sich ein eingerahmter Bibelvers, doch der Aberglauben der McDonaghoughs schien sich tatsächlich in Grenzen zu halten.
»1 Makkabäer 2, 60«, las Justus den Bibelvers. »Weil Daniel unschuldig war, wurde er dem Rachen der Löwen entrissen.« Er drehte sich zu Josy um. »Hat der Vers eine bestimmte Bedeutung für euch?«
Josy zuckte die Schultern. »Der hängt da schon ewig. Er stammt, glaube ich, von Grandmas Urgroßvater. Aber nicht einmal Grandma weiß, was es damit auf sich hat.«
»So lange ist eure Familie schon hier in Yonderwood?«, fragte Peter überrascht.
»Ja, zu lange«, antwortete Josy, ohne aufzusehen.
Beim Frühstück lernten die drei Jungen dann auch Josys Großmutter endlich kennen. Mrs Eleonora McDonaghough war eine herzensgute und äußerst liebenswürdige
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