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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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Polizeihauptquartier von Cypress Springs hatte sich in den Jahren ihrer Abwesenheit nicht verändert. Einen Block von der Main Street entfernt, hinter dem Gerichtsgebäude in einem alten Lagerviertel gelegen, glich es eher einem Eisenwarenladen oder einer Futter- und Samenhandlung als einem modernen Polizeicenter.
    Als Avery das Gebäude betrat, schienen die alten Deckenventilatoren den Staub von fünfzig Jahren aufzuwirbeln. In dem Sonnenstrahl, der durch die Frontscheiben fiel, leuchteten Millionen von winzigen Partikeln auf. Der Officer am Tresen blickte auf. Er war so jung, dass er noch an einem heftigen Fall von Akne litt.
    Lächelnd blieb sie am Tresen stehen. „Ist Buddy da?“
    „Sicher. Möchten Sie ihn sprechen?“
    „Nein, ich wollte nur wissen, ob er da ist.“
    Der Junge machte ein verdutztes Gesicht, dann begann er zu lachen. „Das war ein Scherz, oder?“
    „Ja, tut mir Leid.“
    „Schon okay. Sind Sie nicht Avery Chauvin?“ Sie nickte. „Kennen wir uns?“
    „Sie waren mein Babysitter. Ich bin Sammy Martin. Der Sohn von Del und Marge.“
    Avery dachte einen Moment nach und erinnerte sich lächelnd. Als Kind war er ein richtiger Satan gewesen. Interessant, dass er sich für die Polizeilaufbahn entschieden hatte. „Ich hätte dich nicht wieder erkannt; Sammy. Als wir uns das letzte Mal gesehen haben, warst du wie alt? Acht oder neun?“
    „Acht. Das mit deinem Dad tut mir sehr Leid. Wir konnten es alle nicht glauben.“
    „Danke.“ Sie räusperte sich, weil ihr wieder die Tränen kommen wollten. „Du hast gesagt, Buddy sei da?“
    „O ja, natürlich, ich sage Bescheid.“ Er drehte sich um. „Buddy! Besuch für Sie!“
    Buddy rief zurück, er käme sofort, und Avery grinste. „Tolle Sprechanlage, Sammy.“
    Er lachte. „Ja, aber uns reicht es aus.“
    Da sein Telefon klingelte, entfernte er sich vom Tresen, und Avery ging zum schwarzen Brett rechts neben der Tür. Ein zweites befand sich in der Bibliothek und ein drittes bei Piggly Wiggly. Das waren die Kommunikationszentren von Cypress Springs, auch das hatte sich nicht verändert. Sie überflog die Informationen: Gemeindemitteilungen, Hinweise auf Verlorenes oder Gefundenes und Verkaufsangebote.
    „Kleines Mädchen!“ dröhnte eine Stimme, und sie drehte sich um. Mit langen donnernden Stiefelschritten kam Buddy um den Tresen herum auf sie zu.
    „Ich hatte schon befürchtet, du würdest zum Lunch sein, Buddy.“
    „Bin gerade zurück.“ Er umarmte sie. „Was für eine schöne Überraschung.“
    Sie erwiderte die Geste. „Hast du eine Minute zum Reden?“
    „Sicher.“ Er sah sie forschend an. „Ist alles okay?“
    „Alles bestens. Ich wollte dich nur wegen etwas fragen, das ich in Dads Schrank gefunden habe.“
    „Komm herein.“ Er führte sie in sein Büro. Überfüllte Regale, verschlissenes Mobiliar und Wände voller Ehrenplaketten und Preise sprachen von einem Leben im Dienste der Gemeinde.
    Avery setzte sich in einen der beiden Sessel vor dem Schreibtisch, holte ein paar der Zeitungsausschnitte aus ihrer Tasche und reichte sie ihm. „Ich habe einen Karton mit solchen Zeitungsausschnitten in Dads Schlafzimmerschrank entdeckt. Ich dachte, du könntest mir vielleicht sagen, warum er sie aufbewahrt hat?“
    Mit gerunzelter Stirn überflog er die Ausschnitte und sah sie an. „Bist du sicher, dass dein Dad sie aufbewahrt hat und nicht deine Mom?“
    Sie überlegte kurz. „Hundertprozentig sicher bin ich mir nicht. Aber Dad hatte alles andere aus Moms Schrank entfernt. Warum sollte er also das hier aufheben?“
    „Punkt für dich.“ Er gab ihr die Artikel zurück. „Um deine Frage zu beantworten, ich weiß nicht, warum er das aufgehoben hat. Auch wenn man bedenkt, wie schwer das Verbrechen war, ist es ungewöhnlich, dass er das gesammelt hat.“
    „Das fand ich auch. Dann war er nicht irgendwie in die Ermittlungen eingebunden?“
    „Nein.“
    „War er Sallies Arzt?“
    „Könnte sein, aber das weiß ich nicht. Ich glaube ja, weil er einige Jahre lang der einzige Arzt in Cypress Springs war. Auch nachdem Bobby Townsend und Leon White ihre Praxen eröffneten, blieb dein Dad die erste Adresse. Die Menschen hier sind loyal und mögen keine Veränderungen.“
    Sie schürzte die Lippen. „Kannst du dich an diesen Fall erinnern?“
    „Als wäre es gestern gewesen.“ Er fuhr sich mit einer Hand über das Gesicht. „In meiner ganzen Laufbahn habe ich nur in einer Hand voll Morden ermittelt. Sallie Waguespack war der

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