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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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noch in der Nähe?“
    Er konnte sie nicht beruhigen. Als er sich aufrichten wollte, erregte etwas, das unter dem Kistenstapel hervorschaute, seine Aufmerksamkeit.
    Der Schwanz eines Tieres. Kein Wunder, dass Sarah verrückt spielte. Das Tier, das diese Sauerei angestellt hatte, hatte sich selbst unter den umgestürzten Kisten gefangen. Vielleicht war es verletzt oder tot.
    Suchend sah er sich nach etwas um, womit er die Kisten bewegen konnte. Seine Hände wollte er keinesfalls benutzen. Gefangene Tiere verteidigten sich heftig, besonders wenn sie verletzt waren.
    Im gegenüberliegenden Eingang entdeckte er einen Besen und holte ihn. Dann schob er den Stiel in den Spalt zwischen die Planken der Kiste und hob sie an.
    Sein Mageninhalt schien ihm in die Kehle zu steigen. Er zuckte zurück, Sarahs heftiges Bellen in den Ohren.
    Nicht der Schwanz eines Tieres. Menschliches Haar!
    Die Frau, der es gehörte, starrte ihn ausdruckslos an, das Gesicht zu einem Todesschrei verzerrt.

13. KAPITEL
    Hunter taumelte zurück und zerrte Sarah mit sich. Vornüber gebeugt, die Hände auf die Knie gestemmt, atmete er tief durch.
    Ruhig, Stevens. Nicht übergeben. Lieber Gott, bloß nicht …
    Er wurde das Bild dieser Frau nicht mehr los. Die Augen zusammengepresst, atmete er noch einmal tief durch. Eine Frau … großer Gott, was sollte er tun?
    Vergewissere dich, dass sie tot ist. Hol die Polizei.
    Hunter atmete langsam aus, richtete sich auf und blickte die Frau an. Sie hatte sich nicht bewegt. Die Augen starr auf ihn gerichtet, war ihr Mund zu diesem grässlichen Schrei verzerrt.
    Zweifellos war sie tot, und ihr Tod musste entsetzlich gewesen sein. Trotzdem sollte er ihren Puls fühlen, oder? Machten sie das im Film nicht immer so? Entweder das oder die Leute drehten durch.
    Dir bleibt keine Wahl, Stevens.
    Er nahm Sarah wieder kürzer und trat näher. Vorsichtig entfernte er weitere Kisten und legte einen Arm frei.
    Irgendwann vor ihrem Tod hatte sie die Nägel in einem blutigen Rot lackiert. Der Kontrast zwischen diesem Rot und der wächsernen Haut wirkte geradezu obszön.
    Hunter trat näher und umfasste das Handgelenk der Frau. Es war kalt, die Haut schwammig.
    Kein Puls. Nicht einmal ein Flattern.
    Er riss die Hand zurück, wischte sie instinktiv an seiner Jeans ab und richtete sich auf.
    Hol die Cops, Stevens. Deinen Dad oder Matt.
    Sie sind gleich um die Ecke bei Philips Totenwache.
    Er überlegte kurz und entschied, dass er sie zu Fuß genauso schnell erreichte wie mit einem Anruf im Department. Sofort lief er los. Als spüre sie seine Eile, blieb Sarah an seiner Seite. Sie verließen die Gasse und schafften es um den Block zu den Gallaghers in drei Minuten.
    Zwei Stufen auf einmal nehmend, eilte er die Vordertreppe hinauf, befahl Sarah zu bleiben und stürmte hinein. Danny Gallagher stand gleich neben der Tür und riss die Augen auf. „Hunter, was …?“
    „Wo sind sie?“
    Danny deutete nach vorn. „Nummer eins, aber …“
    Hunter eilte weiter, ohne auf das Ende des Satzes zu warten. Er entdeckte seine Familie, sobald er den Raum betrat. Sie standen alle eng beieinander.
    Der Stevens-Clan gegen den Rest der Welt. Minus einem natürlich.
    Während er voranschritt, teilte sich die Menge schweigend vor ihm. Unterhaltungen brachen ab, Mienen zeigten Erstaunen, dann Erregung. Man erwartete eine Szene und freute sich darauf.
    Ich kann euch in der Tat Abwechslung verschaffen, aber anders, als ihr denkt.
    Hunter erkannte, wann seine Familie seine Gegenwart bemerkte. Sie drehten sich um, die Blicke auf ihn gerichtet. Matt runzelte die Stirn, und Buddy zog die Brauen hoch. Zugleich veränderte sich seine Haltung kaum merklich und wurde abwehrend. Er erwartete eine Konfrontation. Lilah war besonders blass, die Augen groß, der Blick ängstlich. Cherry wandte den Blick ab, als er sie ansah.
    So amerikanisch wie Apfelkuchen und Prozac. Zur Hölle mit ihnen allen.
    „Dad“, begann er grußlos. „Ich muss dich sprechen, und zwar jetzt gleich, es geht nicht anders.“
    Matt trat vor, die Hände zu Fäusten geballt. „Du hast dir eine verdammt gute Zeit für eine Konfrontation ausgesucht. Verschwinde, ehe Avery …“
    „Halt dich raus!“ schnauzte Hunter. „Es ist ein Notfall, Dad. Wir müssen reden.“
    „Das muss warten, Sohn. Heute Abend ehre ich meinen besten Freund.“
    Hunter beugte sich vor und senkte die Stimme. „Es hat einen Mord gegeben. Glaubst du, das kann warten?“
    Hinter ihm sog jemand scharf den Atem ein.

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