Stadt des Schweigens
Parfum und Blumen schienen sie zu ersticken.
Ich brauche frische Luft.
Die Terrasse.
Gegen ein Gefühl der Panik ankämpfend, bewegte sie sich langsam auf die Tür zu und eilte dann hinaus in die ungewöhnlich kühle Abendluft. Am Terrassenrand blieb sie stehen und hielt sich am Geländer fest. „Reiß dich zusammen, Avery! Du darfst nicht zusammenklappen.“
Vom anderen Ende ertönte ein verlegenes Hüsteln. Sie drehte sich um und merkte, dass sie nicht allein war. Und dass sie mit sich selbst gesprochen hatte.
Ein fremder Mann stand dort, wie sie ärgerlich feststellte, und rauchte. Sofort ermahnte sie sich wegen ihrer Gereiztheit. Schließlich war sie es, die ihn störte, und nicht umgekehrt.
Er sah sie an. „Ich bedaure den Tod Ihres Vaters, Miss Chauvin. Er war ein feiner Mensch.“
„Danke“, erwiderte sie, gegen neuerliche Rührung ankämpfend, und ging auf ihn zu. „Entschuldigung, aber kennen wir uns?“
Der Mann wirkte ein wenig verlegen. „Wir sind uns nie begegnet.“ Er drückte seine Zigarette aus und reichte ihr die Hand. „John Price, freiwillige Feuerwehr von Cypress Springs.“
Avery gab ihm die Hand. „Schön, Sie kennen zu lernen.“
Bedrückt wandte er den Blick ab. „Ich hatte an jenem Morgen Rufbereitschaft. Ich war der Erste … der ihren Dad gesehen hat.“
Sogleich schossen ihr mehrere Fragen durch den Sinn. „Was haben Sie gemacht?“
Erstaunt fragte er: „Wie bitte?“
„Nachdem Sie ihn gefunden hatten, was geschah dann?“
„Ich rief meinen Captain an, und der informierte den Feuermarshall des Staates. Sie schickten den Brandsachverständigen, der für unser Gebiet zuständig ist. Er ist ein guter Mann. Ben Mitchell.“
„Und der hat den Leichenbeschauer gerufen?“
Er nickte. „Den des Bezirks. Der wiederum informierte Buddy.“
„Das ist der übliche Weg?“
Er scharrte mit der Fußspitze über den Boden. „Ja. Unsere Aufgabe ist die Bekämpfung und Eindämmung des Feuers und die Suche und Rettung von Opfern. Sobald wir unsere Arbeit gemacht haben, holen wir die staatlichen Brandexperten, die entscheiden, wie das Feuer entstanden ist.“
„Und die rufen den Leichenbeschauer?“
„Ja, falls es Opfer gibt. Der Leichenbeschauer informiert die Polizei. Das ist die Kommandostruktur.“
Sie spürte, wie sie sich emotional von dem Fall löste und in die distanzierte Rolle der Journalistin schlüpfte. Es geschah so automatisch wie das Atmen und war irgendwie tröstlich. „Und mein Vater war tot, als Sie ankamen?“
„Kein Zweifel. Er …“ Der Mann schluckte hinunter, was er noch hatte sagen wollen.
„Was?“
„Er war tot, Miss Chauvin. Kein Zweifel.“
Mit geschlossenen Augen versuchte sie sich zu erinnern, was sie über Tod durch Verbrennen wusste. Sie hatte für den Artikel über Brandstiftung dazu recherchiert. Zwei Kinder, deren Bilder sie gesehen hatte, waren ihr zum Opfer gefallen. Verkohlte Kadaver, völlig schwarz. Allgemeine Merk…
„Avery? Alles okay?“
Als sie Matts Stimme hörte, öffnete sie die Augen. Er stand in der Terrassentür, Cherry gleich hinter ihm.
„Mir geht es gut.“ Als sie das sagte, merkte sie, dass sie sich tatsächlich ein wenig erholt hatte.
„Man sucht dich bereits.“
Sie nickte und wandte sich wieder an den Feuerwehrmann. „John, ich würde mich gern noch ein wenig über diesen Fall mit Ihnen unterhalten. Kann ich Sie anrufen? Können wir einen Termin vereinbaren?“
Unsicher wandte er wieder den Blick ab. „Natürlich, aber ich weiß nicht, was ich Ihnen sonst noch sagen könnte.“
„Es ist nur für mich“, fügte sie rasch hinzu. „Um die Sache abzuschließen.“
„Das denke ich mir. Sie erreichen mich über die Einsatzleitung.“
Sie dankte ihm, wandte sich ab und ging zu Matt und Cherry.
„Miss Chauvin?“ Sie blieb stehen und drehte sich zu dem Feuerwehrmann um. „Vielleicht sollten Sie mit Ben Mitchell im Büro der Feuermarshalls in Baton Rouge reden. Er kann Ihnen sehr viel mehr sagen als ich.“
„Danke, John, das werde ich machen.“
„Worum ging es da?“ fragte Cherry.
„Um nichts. Ich brauchte nur frische Luft.“
Cherry runzelte ein wenig die Stirn und blickte ihr über die Schulter, offenbar verärgert über die Antwort. „Jill Landry hat ihn geheiratet. Du erinnerst dich an Jill? Sie hat ihn durch ihre Schwester in Jackson kennen gelernt.“
„Er scheint ein netter Mann zu sein.“
„Ja, ich glaube.“
Avery blieb stehen und sah Cherry an. „Versuchst du mir
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