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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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sauer.“
    „Ich habe es satt, dass jeder versucht, mich zu beschützen.“
    „Tatsächlich? Jedenfalls dürfte das der Alternative vorzuziehen sein. Ich bin sicher, Elaine St. Claire würde das bestätigen, wenn sie noch am Leben wäre.“
    Offenbar hieß die Ermordete so.
    Avery errötete, da sie fürchtete, wie ein bockiges Kind geklungen zu haben. Sie legte eine Hand auf seine. „Tut mir Leid, Matt. Ich bin nicht ganz bei mir.“
    „Schon okay, ich verstehe das.“ Er führte ihre Hand an seine Lippen, drückte einen Kuss darauf und ließ sie los. „Kommst du jetzt allein zurecht?“
    „Na bitte, du fängst schon wieder an“, neckte sie.
    Er erwiderte ihr Lächeln. „Schuldig im Sinne der Anklage.“
    „Ich komme bestimmt allein zurecht.“ Sie öffnete die Tür. „Ich nehme jetzt erst mal eine ausgiebige Mütze voll Schlaf.“ Damit wandte sie sich ab.
    Er langte noch einmal über den Sitz und ergriff ihre Hand. Avery drehte sich zu ihm um, als er bedauernd sagte: „Die Sache mit deinem Dad tut mir wirklich Leid, Avery.“
    „Ich weiß, Matt, und das hilft mir sehr.“
    Sie stieg aus, schlug die Tür zu und ging zum Haus. An der Haustür blickte sie stehen, da Matt keine Anstalten traf loszufahren.
    Winkend hob sie die Hand. Er erwiderte den Gruß, startete den Motor und fuhr rückwärts aus der Zufahrt. Avery sah ihm nach, bis er ihrem Blickfeld entschwand, und schloss die Tür auf.
    Als sie eintrat, klingelte das Telefon, und sie eilte hin, um den Hörer abzunehmen. „Hallo?“
    „Spreche ich mit der Tochter von Dr. Philip Chauvin?“
    Es war eine tiefe, etwas rau klingende Frauenstimme. Die Stimme einer Kettenraucherin.
    „Hier spricht Avery Chauvin“, erwiderte sie. „Kann ich Ihnen
    helfen?”
    „Zur Hölle mit dir!“ spie die Frau aus. „Und zur Hölle mit deinem Vater. Er hat gekriegt, was er verdiente. Und du kommst auch noch dran.“
    Im nächsten Moment war die Leitung tot.

15. KAPITEL
    In den nächsten zwölf Stunden dachte Avery ständig an den Anruf. Die Worte der Frau gingen ihr immer wieder durch den Sinn wie ein böses Mantra.
    Er hat gekriegt, was er verdiente.
    Und du kommst auch noch dran.
    Zuerst war sie nur schockiert gewesen, dass jemand so über ihren Vater sprechen konnte. Dann war sie zornig geworden und hatte die *69 gewählt, um festzustellen, dass ihr Vater den Rückrufdienst nicht eingestellt hatte. Sie hatte kurz erwogen, Matt oder Buddy einzuschalten, es aber unterlassen. Was konnten die beiden schon tun? Ihr versichern, dass die Frau eine Irre war? Oder ihr raten, sich eine Geheimnummer geben zu lassen?
    Die Frau konnte tatsächlich eine Irre sein, das stimmte.
    Und wenn nicht? Wenn dieser Anruf nun eine ernst zu nehmende Drohung war?
    Nachdenklich ging Avery auf und ab. Ihr Vater war Arzt und Christ gewesen. Er hatte an die Heiligkeit des Lebens geglaubt und sich der Erhaltung von Leben verschrieben.
    Sollte ihre erste instinktive Skepsis bezüglich seines Selbstmordes richtig gewesen sein? Hatte er sich gar nicht selbst umgebracht?
    Sie blieb stehen und versuchte, sich Wort für Wort die letzte Mitteilung in Erinnerung zu rufen, die er ihr hinterlassen hatte.
    „Ich muss mit dir reden. Ich hatte gehofft … Da gibt es etwas … Ich versuche es später noch einmal. Wiedersehen, Kleines.“
    Als sie dann von dem Selbstmord erfuhr, hatte sie angenommen, diese Mitteilung sei ein verzweifelter Hilferuf gewesen. Sie hatte unterstellt, er habe angerufen, um ihr die Chance zu geben, ihm den Selbstmord auszureden. Oder um sich zu verabschieden.
    Aber seit dieser Drohung sah alles anders aus. Vielleicht hatte ihr Dad erkannt, dass er in Gefahr war und Feinde hatte. Vielleicht hatte er das mit ihr besprechen und ihren Rat einholen wollen das hatte er oft getan.
    Avery erkannte, dass ihre Überlegungen sie genau in die entgegengesetzte Richtung führten, in der alle anderen dachten: Matt, Buddy, Lilah, ja die ganze Stadt.
    Sie atmete tief durch und versuchte, mit ihren widersprüchlichen Gefühlen klarzukommen. Loyalität gegenüber Menschen, die sie mochte, Misstrauen gegenüber ihrem eigenen emotionalen Zustand und Argwohn gegenüber einer Justiz, die Fehler machte und oft nur nach dem Offensichtlichen urteilte, anstatt wirklich nach der Wahrheit zu forschen.
    Falls er sich nicht selbst umgebracht hatte, bedeutete das, er wurde …
    Ermordet.
    Das Wort mit seiner weitreichenden Bedeutung schien in ihrem Kopf widerzuhallen. Ein Mord in Cypress Springs? Eigentlich

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