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Stadt des Schweigens

Stadt des Schweigens

Titel: Stadt des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margret Krätzig Erica Spindler
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glaubst du, kam die Sache nicht vor Gericht? Weil meine Jungs es nicht waren. Sie sind reingelegt worden. Vor Richter und Geschworenen wäre das alles nicht durchgekommen. Und die ganze Bande von heuchlerischen Ehrenmännern wäre in den Knast gewandert.“
    „Wenn Sie Beweise haben, zeigen Sie sie mir.“
    „Ich habe Beweise, viele sogar.“
    „Klar doch.“
    Averys Sarkasmus machte die Frau wütend. „Zur Hölle mit dir und deinem toten Daddy. Du bist wie die andern verlogenen Bastarde. Ich sag dir, was ich habe, und du schickst mir die Behörden auf den Hals.“
    Avery versuchte es auf eine andere Tour. „Warum, glauben Sie, habe ich Cypress Springs verlassen? Ich gehöre nicht zu denen. Ich habe nie dazugehört.“ Sie ließ ihre Worte einen Augenblick wirken. „Wenn Ihre Anschuldigungen stimmen, bringe ich die Sache in Ordnung.“
    „Was is’ für dich dabei drin?“
    „Ich wasche den Namen meines Vaters rein.“
    Als die Frau schwieg, fuhr Avery eindringlich fort: „Sie wollen Gerechtigkeit für Ihre Jungs?“
    „In dieser Stadt? In dieser Stadt gibt es keine Gerechtigkeit für einen Pruitt. In Cypress Springs gibt es überhaupt keine Gerechtigkeit.“
    „Zeigen Sie mir, was Sie haben“, wiederholte Avery. „Sollten Sie Beweise haben, setze ich mich für Ihre Söhne ein. Das verspreche ich.“
    Die Frau schwieg wieder einen Moment. „Nicht am Telefon“, sagte sie schließlich. „Wir treffen uns heute Abend.“ Sie nannte rasch eine Adresse und legte auf.

33. KAPITEL
    Der Wohnwagenpark ,Magnolia Acres’ lag an der Südseite von Cypress Springs, gleich außerhalb der Stadtgrenze. Avery bog in den Park ab und bemerkte, dass die Sicherheitsleuchte am Eingang nicht brannte.
    Vielleicht von Jugendlichen zerschossen, dachte sie, als sie merkte, dass auch alle anderen aus waren.
    Langsam rollte sie die Straße hinunter und hatte Mühe, die Hausnummern zu erkennen. Nicht mal die Dunkelheit dämpfte den öden Eindruck der Gegend. Das einzig Positive an diesem Park war vielleicht, dass jedem Wagen ein großes Grundstück zustand. Von Unkraut überwuchert, wirkten sie dennoch verlottert.
    Sie fand Nummer 12, parkte davor und stieg aus. Von mehreren Seiten dröhnte Musik auf sie ein: Rap, Rock und Country. Im Nachbarwohnwagen stritt sich ein Paar. Ein Kind schrie.
    Avery schlug die Autotür zu und ging auf den Wohnwagen zu. Dabei ließ sie den Blick über die Umgebung schweifen und nahm Details wahr. Abgestorbene Blumen in einem einzelnen Balkonkasten. Der klägliche Versuch einer Gartengestaltung: ein paar Büsche, die dringend geschnitten werden mussten, Unkraut, eine Steinbegrenzung, halb überwuchert. Drei Stufen führten zur Eingangstür. Auf der oberen saß ein Betonfrosch.
    Als sie näher kam, bemerkte sie, dass die Tür leicht angelehnt war. Licht drang nach draußen und der Geruch nach Gebratenem.
    Sie klopfte an, und die Tür schwang auf. „Mrs. Pruitt!“ rief sie. „Ich bin es, Avery Chauvin!“
    Keine Antwort. Sie klopfte erneut und rief noch einmal, diesmal lauter.
    Wieder nur Stille.
    Avery trat ein. Im Wagen herrschte Chaos. Umgeworfene Möbel, verstreute Zeitungen und Essensschälchen. Eine Lampe lag flackernd auf der Seite. Averys Blick fiel auf einen dunklen Fleck an der hinteren Wand.
    Neugierig ging sie darauf zu. Im Nebenzimmer erklang aus dem Radio der Klassiker ,Strangers in the Night’. Avery lachte nervös, da der Song auf eigenartige Weise angemessen war.
    Sie erreichte die Rückwand, betrachtete den Fleck und berührte ihn. Er war feucht. Sie besah ihren Finger. Rot.
    Mit wachsendem Entsetzen drehte sie sich langsam nach links. Durch die Küchentür sah sie eine Frau, die ausgestreckt am Boden lag, den Rücken ihr zugewandt.
    „Mrs. Pruitt?“
    Voller Angst ging sie langsam zu ihr und hockte sich neben sie. Vorsichtig streckte sie eine Hand aus und berührte sie an der Schulter.
    Die Frau rollte auf den Rücken. Ihre Augen waren geöffnet, doch vor allem ihr Mund erregte Averys Aufmerksamkeit – er war blutverschmiert und grotesk verzerrt.
    Mit einem Aufschrei wich Avery zurück, glitt auf dem feuchten Boden aus, verlor das Gleichgewicht und landete auf dem Hinterteil. Blut, überall Blut. Sie war darin ausgerutscht, hatte sich damit beschmiert und es über den Boden verteilt.
    Ein Laut machte sie wieder auf die Frau aufmerksam, die Augenlider und Mund bewegte.
    Sie lebte und versuchte zu sprechen!
    Avery richtete sich auf und kroch näher heran. Mit Herzklopfen hockte sie

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