Stadt, Land, Mord - Granger, A: Stadt, Land, Mord - Mud, Muck and Dead Things
Besorgnis ließ seine Stimme bei den letzten Worten schrill klingen.
»Das weiß ich nicht«, antwortete Jess. »Milada kam zu uns und hat uns erzählt, was sie denkt. Das ist der Grund, aus dem ich hergekommen bin. Milada denkt, dass Eva vielleicht einen Freund gehabt hat. Hat sie mit Ihnen darüber gesprochen?«
»Nicht mit mir«, sagte Jones steif. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, sie hat nicht über ihr Privatleben gesprochen, und soweit ich es beurteilen kann, war sie glücklich und zufrieden. Ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist, aber es gibt sicherlich eine Erklärung. Vielleicht hatte sie einen Unfall und liegt bewusstlos in irgendeinem Krankenhaus, und niemand weiß, wer sie ist. So etwas passiert. Ich weiß, dass es so ist. Ich habe es selbst schon gesehen. Es gab so einen Fall in einem Krankenhaus, in dem ich ein Praktikum gemacht habe.«
Er war Medizinstudent gewesen? Was machte er dann hier? Was auch immer der Grund sein mochte, er war nicht glücklich, ganz und gar nicht. Er war in das verschwundene Mädchen verliebt, überlegte Jess. Doch sie hatte schon einen Freund, den geheimnisvollen Mr. Secret mit dem silbernen Wagen, und Jess war bereit, ihr Gehalt darauf zu verwetten, dass Jones Bescheid wusste, auch wenn er es nicht zugeben wollte.
Sie blickte sich auf dem Hof um. »Das ist ein abgelegener Flecken Erde. Sehr romantisch, aber abgelegen. Wohnen Sie ebenfalls hier im Haus, wie die beiden Kellnerinnen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich wohne da drüben.« Er zeigte über ihre Schulter zu einer Ansammlung von Bäumen, hinter denen ein Schornstein zu sehen war. »In Greystone House .«
Sie war nicht sicher, ob es der Name einer Pension war oder ein altes vornehmes Privathaus. »Was ist Greystone House ?«
»Wie?« Er starrte sie verblüfft an, dann lächelte er fast. »Oh. Es ist mein Elternhaus.«
»Ist Ihr Vater Landbesitzer?« Es hätte sie nicht weiter überrascht. Dieser junge Mann war definitiv kein Bauerntrampel. Vermutlich Privatschule, überlegte sie. Warum um alles in der Welt arbeitete er in einem Pub und fegte den Hof? Sie hatte keine Ahnung, doch sie war entschlossen, es herauszufinden.
»Nein«, antwortete Jones. »Er ist Anwalt.« Jetzt grinste er spöttisch und genoss ihr momentanes Unbehagen.
Also hatte der junge Jones juristischen Beistand und anwaltliche Vertretung parat – aber brauchte er beides auch?
Jess überlegte, dass Offenheit bei diesem jungen Mann am weitesten führte. »Warum arbeiten Sie hier?«, fragte sie. »Wenn Sie seit einem Jahr hier sind, kann man ja wohl kaum noch von einem Ferienjob reden.«
»Ich habe Medizin studiert«, erzählte er. »Alles lief bestens, bis ich ins Krankenhaus kam.« Er hob den Kopf und starrte sie an. »Waren Sie schon mal auf einer chirurgischen Station? Haben Sie schon mal jemanden gesehen, der wegen Leberversagens aufgrund von Alkoholmissbrauch ganz gelb war? Der wusste, dass er sterben würde, dass er all die zurücklassen würde, die er liebte, und der wusste, dass er sich das alles selbst angetan hatte … und der doch, wenn man ihm einen Drink anbot, Ja sagen würde? Ich hatte einen Zusammenbruch. Ich habe aufgehört. Jetzt arbeite ich hier. Es gefällt mir. Normalerweise …«, und jetzt hob er den Kopf und starrte Jess hart in die Augen, »… normalerweise lässt man mich hier in Ruhe. Niemand macht mir Ärger.«
»Sie kommen nicht gut zurecht mit Ärger, oder?«
»Was denken Sie? Nein. Nein, ich komme nicht gut zurecht mit Druck, und ich komme nicht mit der Realität des Arztberufs zurecht. Die Theorie ist prima, selbst das Aufschneiden von Leichen habe ich noch hingekriegt, auch wenn es mir keinen Spaß gemacht hat. Aber in den Krankenhäusern herumzuhängen und die Leute leiden zu sehen, den Kummer der Angehörigen …« Sein Blick ging an ihr vorbei und in die Ferne, hinaus zu etwas, das nur er alleine sehen konnte.
»Dann war Medizin keine gute Wahl für Sie«, urteilte Jess. »Mein Bruder ist Arzt.« Sie nannte den Namen der Hilfsorganisation, für die Simon auf der ganzen Welt unterwegs war, und sie bemerkte das aufkeimende Interesse in David Jones’ Augen.
»Ich würde zu gerne das Gleiche machen wie Ihr Bruder«, gestand er. »Ich hatte etwas Ähnliches vor, als ich mit dem Studium angefangen habe, hinausziehen in die Welt und für eine der Hilfsorganisationen arbeiten. Aber ich habe es nicht geschafft. Und jetzt bin ich hier.«
»Nicht für immer. Sie finden sicher etwas anderes«, redete sie ihm
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