Stadtfeind Nr.1
ich es deshalb, weil ich es einfach nicht ändern konnte. Aber jetzt kommt es mir vor, als hätte ich diese Chance bekommen, für Wayne da zu sein, wenn er mich braucht, ihm zu helfen, diese Geschichte bis zum Ende durchzustehen. Wieder ein Teil meiner Familie zu werden, falls sie mich noch haben will. Und dann bist da noch du ...«
»Dann bin da noch ich«, sagt Carly und nickt verbittert mit dem Kopf. »Die Kirsche auf deinem psychotischen kleinen Sundae-Eisbecher.«
»Wie bitte?«
»Du bist einfach unglaublich«, sagt sie, wobei sie ihre Stimme ein klein wenig hebt. »Das alles hier bei uns, ich und Wayne und diese Stadt, hat nichts mehr mit dir zu tun. Du bist weggegangen und hast das große Los gezogen, und jetzt willst du zurückkommen und deine Wohltätigkeit, über all die kleinen Leute ausschütten, mit denen es bergab gegangen ist, als du gingst.«
»Darum geht es doch überhaupt nicht«, protestiere ich. »Ich bin derjenige, mit dem es bergab gegangen ist.«
»Heul mir doch die Ohren voll«, sagt sie wütend. »Ein Zeitungsartikel ist schnell Schnee von gestern, Joe. Es dreht sich nicht alles nur um dich. Wir haben es alle geschafft, uns selbst aus der Bahn zu werfen. An dieser Tatsache hättest du damals nichts ändern können, und das kannst du auch heute nicht. Glaubst du etwa, du hast den Markt für Reue aufgekauft?«
»Darum geht es doch überhaupt nicht«, sage ich noch einmal, während ich mich frage, wie das Gespräch so schnell so völlig schief laufen konnte.
»Warum kommen wir an dieser Stelle nicht einfach zur Sache«, sagt sie, wobei sie meinen Protest mit einer Handbewegung abtut. »Was willst du von mir, Joe?«
»Nichts.«
»Blödsinn. Versuch es noch einmal. Was willst du von
mir?«
Ihre Augen sind kalt und humorlos, und als ich in sie blicke, kommt es mir vor, als würde ich ertrinken, ein sorgloser Schwimmer, der es versäumt hat, die Warnhinweise vor der Unterströmung zu beachten. »Ich will nur die Chance, dich wieder kennen zu lernen«, sage ich. »Ich weiß, dass wir nicht mehr dieselben Leute wie früher sind, aber unter alledem bist du immer noch der einzige Mensch, den ich je wirklich geliebt habe.«
»Was willst du damit also sagen? Willst du mit mir ausgehen? Willst du ein Date mit mir?«
»Warum würdest du deswegen so sauer werden?«
Carly nickt langsam, die Wangen gerötet vor Wut. »Ich sehe nach einer richtig leichten Beute für dich aus, stimmt's? Deine einsame, misshandelte Exfreundin. Du musst dir gedacht haben, nach allem, was ich durchgemacht habe, würde ich dir einfach dankbar in die Arme fallen.«
»Das ist nicht fair«, sage ich, wobei ich versuche, mir selbst etwas Empörung zusammenzubasteln, um ihre eigene zu neutralisieren.
»Scheiß auf fair.« Sie lehnt sich zur Betonung vor. »Sieh mich an. Sieh Wayne an. Wann ist fair dabei je ins Spiel gekommen?« Sie hält einen Augenblick inne, um die Tränen zurückzuhalten. »Die Dinge sind für dich nicht so gelaufen, wie du es dir vorgestellt hast, und das ist Pech. Aber du bist weggegangen, und dann hast du uns alle als Figuren in deinem gottverdammten Buch benutzt. Und du kannst jetzt nicht einfach hierher zurückkommen und den Helden spielen, Joe. Es tut mir Leid, aber das kannst du einfach nicht machen.«
Ich sitze ihr wie gelähmt gegenüber, schweigend vor Verblüffung. Ich hatte erwartet, dass das Gespräch anfangs etwas unbeholfen sein würde, und ich war bereit gewesen, mich da durchzubeißen, da ich von der grundsätzlichen Annahme ausgegangen war, dass Carly noch immer Gefühle für mich hat, irgendwo im Verborgenen, die lediglich einer kleineren Ausgrabung bedürfen. Ich hatte nicht mit der Möglichkeit gerechnet, dass sie vielleicht tatsächlich keine Liebe mehr für mich übrig hat, dass das, was wir einmal gewesen waren, inzwischen völlig tot für sie ist. Auf einmal bin ich irrationaler weise zu Tode betrübt. Der Regen schlägt wie von Sinnen gegen die Fensterscheiben, und ich verspüre den Drang, nach draußen zu laufen und mich aufzulösen.
Carly lehnt sich auf ihrem Stuhl zurück, erschöpft von ihrer Schimpfkanonade. Tatsächlich scheint sie ebenso schockiert wie ich von der Wut, die sie vom Stapel gelassen hat. Ich stehe langsam auf und wühle in meiner Tasche nach ein paar Geldscheinen. »Es tut mir Leid«, sage ich. »Du hattest Recht; das hier war ein großer Fehler. Ich bringe dich jetzt zurück zu deinem Büro.«
Sie sieht zu mir hoch, macht aber keine Anstalten, sich zu
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