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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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gestanden, könnte mir nichts weniger egal sein als das, und ich bin nicht im Geringsten daran interessiert, darüber zu reden, dass ich ein Autor bin. Ich habe in der Großstadt keine aufregenden Freunde und kein großes Leben, zu dem ich zurückkehren kann. Genau genommen habe ich dort nicht einmal ein kleines Leben. Du hast vermutlich Recht damit, dass die Vergangenheit zur Sprache kommen wird - wie könnte es auch anders sein -, aber ich bin nur insofern an ihr interessiert, als sie das Hier und Jetzt betrifft. Ich hatte den Eindruck, ich hätte mich die letzten Jahre vor der Vergangenheit gedrückt, aber jetzt sieht es allmählich so aus, als sei ich in Wirklichkeit der Gegenwart aus dem Weg gegangen, und ich bin fest entschlossen, das nicht länger zu tun. Es gibt gute Gründe, weshalb wir uns unterhalten sollten, weshalb wir uns so kennen lernen sollten, wie wir jetzt sind, aber ich werde im Augenblick nicht versuchen, diese Gründe zu analysieren. Ich gehe hier nach meinem Instinkt vor, was für mich etwas völlig Neues ist, und ich verspreche dir, das Letzte, was ich auf dieser Welt will, ist, dich zum Weinen zu bringen.« Ich lege eine dramatische Pause ein, um einmal Luft zu holen. »Es ist doch nur zum Lunch, Herrgott nochmal. Das heißt doch nicht, dass wir verlobt sind oder irgendwas.«
    Ein leises Grinsen zupft an Carlys Mundwinkeln, aber sie bleibt entschlossen. »Ich weiß nicht, ob ich im Augenblick damit umgehen kann.«
    »Das habe ich einmal gesagt, als ich ungefähr neunzehn war«, sage ich. »Jetzt bin ich vierunddreißig.«
    »Mein Gott, sind wir alt«, sagt Carly wehmütig, und ich kann erkennen, dass ich sie zwischen den Stühlen habe und ihr gesundes Urteilsvermögen angesichts meiner Entschlossenheit wankt.
    »Ich kann erkennen, dass du dich in einem Konflikt befindest. Lass es mich leichter für dich machen«, sage ich und setze mich in einen der Sessel vor ihrem Schreibtisch. »Ich werde ohne dich nicht von hier weggehen.«
    Sie starrt mich an, und ich starre genauso zu ihr zurück, und irgendetwas in der Luft, wo sich unsere Blicke treffen, funkt. »Komm schon«, sage ich. »Wie viel Schaden könnte ich bei einem Lunch schon anrichten?«
    Nach einem Moment schließt Carly die Augen. »Ach, na ja«, sagt sie leise, eher zu sich selbst als zu mir, und steht dann auf. Sie schnappt sich ihre Lederjacke von einem Garderobenständer, und ich folge ihr aus dem Büro zurück in den Redaktionsraum. Wenn das Minuteman-Personal vorhin schon interessiert an mir war, dann starren sie jetzt regelrecht schamlos, während wir uns durch den Arbeitsbereich einen Weg zum Ausgang bahnen. »Es gehört wohl nicht viel dazu, diese Leute in Aufregung zu versetzen, was?«, murmele ich Carly zu.
    »Wir ernten, was wir säen«, sagt sie, macht die Tür auf und tritt vor mir auf den Parkplatz hinaus. »Du hast meinen Mitarbeitern die Gelegenheit gegeben, in lebhaft geschilderten Details nachzulesen, wie du mich auf der Rückbank deines Wagens entjungfert hast. Ich würde sagen, du hast dir dein Maß an Blicken verdient.« Ich lächele dämlich und versuche, die Spuren von Wut in ihrer Stimme zu ignorieren, wie mikroskopisch kleine Splitter zerbrochenen Glases nach einem Autounfall.
    Der Himmel ist bedeckt; dicke, schmutzige Wolken hängen tief und dicht wie Umweltabgase über uns, und die Luft ist bereits schwer von dem Regen, der sich ankündigt. »Dein Wagen sieht aus, als ob er in einer Bar in eine Schlägerei geraten ist«, sagt Carly, als sie das eingetretene Rücklicht und die zackenförmigen Kratzer in dem Mercedes sieht.
    »Wir haben beide schon bessere Zeiten gesehen.« Sie sieht mich über das Wagendach an, während sie sich fragt, ob mein Kommentar nur den Wagen betrifft oder sie mit einschließen soll. »Joe«, sagt sie leise, »ich bin mir nicht sicher, ob das hier richtig ist.«
    »Komm schon«, versuche ich, mich locker zu geben. »Ich habe mir vorgenommen, heute besonders geistreich zu sein.«
    »Hör auf damit.« »Hör auf womit?«
    »Hör auf, zu versuchen, charmant zu sein.« »Ich versuche es nicht, ich bin es einfach.« Zwischen uns landet ein vereinzelter birnenförmiger Regentropfen auf dem weichen Dach des Mercedes, wie eine plumpe Träne, und wir sehen sie beide an und denken über ihren Symbolwert nach.
    »Geh vorsichtig mit mir um«, sagt sie, als sie die Wagentür aufmacht. »Ich bin in letzter Zeit nicht besonders gut beisammen.«
    »Wer ist das schon?«
    Sie steigt in den Wagen und

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