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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Tropper
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hier?«
    »Leider ja«, sage ich, während ich den Griff um meinen eigenen Zapfhahn ängstlich verstärke.
    »Ich dachte, nachdem dein Dad ins Gras gebissen hat, würdest du zusehen, dass du aus Dodge verschwindest.«
    »Gewisse Ereignisse haben sich verschworen, mich noch etwas länger hier aufzuhalten.«
    Sean nickt und lehnt sich gegen meinen Wagen. In den letzten siebzehn Jahren hat er sich eine dicke Fettschicht und unförmige Muskelpäckchen zugelegt, durch die er in beeindruckender Weise einem Bären ähnelt, und seine Gesichtshaut ist zerfurcht und aufgeraut, als würde er sich jeden Morgen mit Stahlwolle waschen. Seine einst stolze Nase ist gebrochen, und die nun knollenförmige Spitze ist von einem dünnen Netz verschlungener Kapillaren durchzogen. Im düsteren Licht des Halbzeitpubs war mir sein physischer Verfall gar nicht aufgefallen - ich war zu beschäftigt damit gewesen, mich grün und blau prügeln zu lassen -, aber jetzt, im grellen Tageslicht, kann ich die Reifenspuren eines harten Lebens überall auf ihm erkennen. Er zückt ein Päckchen Zigaretten, zündet sich eine an und nimmt einen langen und tiefen Zug, wobei er die Zigarette theatralisch zwischen Daumen und Zeigefinger hält. Ich bezweifle stark, dass Sean je eine Folge der Sopranos verpasst. Eine Weile sagt er nichts, und wir stehen unter dem Vordach der Tankstelle, während es um uns herum immer noch in Strömen regnet. Ich blicke auf meine Füße hinunter und sehe zu, wie hier und da verschüttetes Benzin kleine amöbenförmige, in allen Regenbogenfarben schillernde Kleckse auf dem regendurchnässten Asphalt bildet. Mein Vater ist tot, denke ich auf einmal ohne jeden Zusammenhang, und ich spüre einen kleineren Krampf in meiner Bauchgegend, einen bis dahin schlafenden Muskel, der sich auf einmal zusammenzieht.
    »Ich habe neulich in der Bar die Beherrschung verloren«, sagt Sean, während er langsam durch die Nasenlöcher Rauch ausstößt. »Ich wusste das mit deinem Vater nicht.«
    »Verstehe.«
    »Ich entschuldige mich nicht«, sagt er und verschränkt die Arme vor der Brust. »Du hast es verdient. Dieser ganze Scheiß, den du geschrieben hast.« Er klemmt sich die Zigarette zwischen die Lippen und fischt in seinen Manteltaschen, bis er schließlich zwei zerknitterte Seiten zum Vorschein bringt, die schlampig aus einem Exemplar von Bush Falls gerissen wurden. Er studiert die Seiten einen Augenblick lang und dreht sie dann um. »Hier haben wir es«, sagte er, räuspert sich und liest mit monotoner Stimme laut vor. >»Ich hatte den Eindruck, dass die Feindseligkeit hinter Shanes eskalierender Grausamkeit Sammy gegenüber das Normalmaß ritualistischer Schulhofschikanen und jugendlicher Bigotterie weit überstieg. Irgendetwas in ihm wurde von Sammys offenkundig femininen Manieriertheiten abgestoßen, und erst später begriff ich, dass Shane in Sammy die Verkörperung genau der sexuellen Dämonen sah, gegen die er in sich selbst tagtäglich anzukämpfen hatte.<« Sean hört auf zu lesen und sieht mich scharf an.
    »Du hast mein Buch gekauft«, sage ich. »Ich bin gerührt.«
    »Du bist noch gar nicht berührt worden«, sagt er mit einem gehässigen Grinsen. »Aber du wirst es bald sein, wenn du meinst, dass du unbedingt noch länger hier herumhängen musst.«
    »Drohst du mir etwa?«
    »Entschuldige - war das nicht deutlich?«
    »Es ist Belletristik, Sean«, sage ich matt. »Steht so auf dem Umschlag.«
    »Wenn du mit Belletristik Blödsinn meinst, dann stimme ich dir zu«, sagt er, während er die Seiten wieder einsteckt. »Aber es Roman zu nennen, ändert nichts an dem, was du getan hast.«
    »Und was genau habe ich getan?«
    »Du hast mich Schwuchtel genannt«, sagt er und wirft seine Zigarettenkippe auf den Boden. Sie schafft es nicht, das verschüttete Benzin in Brand zu setzen und ihn in Flammen aufgehen zu lassen, trotz meiner inbrünstigen Gebete. Mein Tank ist voll, und ich hänge den Zapfhahn wieder an die Pumpe. »Du hast dafür gesorgt, dass sich jeder in der Stadt so seine Gedanken über mich macht.« Er richtet sich auf und stößt sich von dem Wagen ab, um mir ins Gesicht zu sehen. »Du hast meinen Ruf besudelt.«
    »Noch einmal«, sage ich. »Es ist Belletristik. Wenn du dich in gewisser Weise mit dem Charakter identifiziert hast...«
    »Lass den Scheiß«, sagt Sean. »Du stellst meine Geduld auf die Probe.«
    »Also, was willst du jetzt machen, Sean?«, sage ich, wobei ich einen erschöpften Ton anschlage. »Willst du mich

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