Stadtfeind Nr.1
noch einmal zusammenschlagen?«
Er tankt selbst zu Ende, hängt den Zapfhahn wieder ein und schraubt unsanft den Tankverschluss zu. »Sieh zu, dass du aus Falls verschwindest, Goffman«, sagt er. »Und ich meine, heute. Ich habe dir mit Rücksicht auf deine Familie einiges durchgehen lassen. Aber du hast es nur meiner Gutmütigkeit zu verdanken, dass du noch im Stehen pinkeln kannst. Dass du durch diese Stadt spazierst, als ob du hier willkommen wärst, als ob du diesen ganzen Scheiß nie geschrieben hättest, das ist eine Beleidigung für mich und für diese Stadt, und ich spüre schon jetzt, während wir uns unterhalten, wie meine Selbstbeherrschung nach-lässt.«
»Ich danke für die Warnung«, sage ich und mache meine Wagentür auf. Er kommt einen Schritt vor und tritt sie zu, sodass sein Stiefel genau unter dem Türgriff eine kleine Delle hinterlässt. Ich rechne die Delle zu dem mentalen Schadensbericht hinzu, den ich seit meiner Ankunft in Falls erstelle.
»Hübscher Wagen«, sagt Sean.
»Danke.«
»Ich habe schon hübschere Wagen in die Luft gesprengt.«
»Deine Eltern müssen sehr stolz auf dich sein.«
Sean springt mir fast ins Gesicht. »Heute, Goffman, mache ich keinen Spaß. Ich werde dich in deinem verdammten Wagen in die Luft sprengen.« Er beobachtet meine Reaktion mit einem breiten, gehässigen Grinsen, entzückt von meiner versteinerten Miene. Dann imitiert er mit einem Finger eine Pistole, hält sie mir an die Schläfe und sagt: »Peng.« In der Ausführung dieser universellen Geste drehen die meisten Leute den Daumen nach unten, um zu verdeutlichen, dass das Maß voll ist, aber Sean drückt tatsächlich den Abzugfinger, was ich als weitaus bedrohlicher empfinde, da es eine tatsächliche Vertrautheit mit dem echten Ding zu verraten scheint.
Er steigt in den Lexus, und ich warte, bis er am Schalter bezahlt hat und in den Regen davongefahren ist, bevor ich selbst in meinen Wagen steige, wo ich die Titelmelodie von Shafi leise vor mich hin singe, um mich selbst zu beruhigen. Who's the blackprivate dick that's a sex machine to all the chicks? Shafi!
Nach der Uhr auf meinem Armaturenbrett aus Vogelaugenahorn ist es 12.05 Uhr, früher, als ich gedacht hätte. Es ist nicht anzunehmen, dass ich es schaffen werde, ohne Ärger durch den Tag zu kommen, wenn er noch so viele Stunden hat.
30
Wayne sitzt vollständig angezogen an seinem Schreibtisch und sieht ein Fotoalbum durch, als ich kurze Zeit später zu ihm komme. »Hey«, sage ich. »Siehst gut aus.« Das tut er nicht, aber ich sage es trotzdem. So gehen wir mit den unheilbar Kranken um. Wir legen einen neuen Maßstab an und übernehmen ihn mit vorgefertigtem Jubel, als könnte das epische Ausmaß des Todes mit einer Lackschicht aus fröhlichen Komplimenten und oberflächlicher Konversation übermalt werden.
Wayne grinst und klappt das Album zu. Er sieht ausgezehrt, aber entschlossen aus. »Ich habe eine Theorie, die besagt, dass mein Risiko, an einem Tag zu sterben, geringer ist, wenn ich mich anziehe und etwas unternehme.«
»Klingt logisch«, sagte ich. »Also, was wollen wir unternehmen?«
Er steht auf und zieht seine Basketballjacke an. »Wir werden Sammys Grab besuchen.«
Ich sehe ihn einen Augenblick lang an. »Bist du sicher?«
»Das ist einer meiner Punkte auf der Liste mit Dingen, die ich vor dem Sterben noch erledigen muss.«
»Ich wünschte, du würdest aufhören, so zu reden«, sage ich, während ich ihm die Jacke auf seinen fast nicht vorhandenen Schultern glatt streiche.
»Ich bin eben ein Held«, sagt er. »Damit musst du leben.«
Der Regen hat aufgehört, und dicke Sonnenstrahlen durchdringen die graue Wolkendecke, als wir durch die Stadt zum Friedhof fahren. »Sieh mal«, sage ich zu Wayne und deute auf einen Sonnenstrahl. »Als ich klein war, dachte ich immer, das sei Gott, der durch die Wolken schaut.«
»Das ist nicht Gott«, sagt Wayne trocken. »Das ist die Suchmannschaft.«
Ich nicke stumm. Im Allgemeinen vermeide ich jedes Gespräch über Theologie, und einem sterbenden Freund gegenüber erscheint mir das als besonders kluge Strategie.
»Als ich nach der Beerdigung nichts von dir hörte, dachte ich, du hättest vielleicht genug gehabt«, sagt Wayne.
»Ich bin immer noch hier.« Ich bringe ihn auf den aktuellen Stand all der Dinge, die seit der Beerdigung meines Vaters passiert sind.
»O mein Gott«, sagt er. »Da hatten wir ja viel um die Ohren.«
»Es war ein bisschen intensiv.«
»Ich kann gar nicht
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