Stadtfeind Nr.1
Mini-Fitnessstudio zu einer Pilates-Kassette trainiert. Der Raum wird von einem Laufband, einem Stepper, einem Ständer mit freien Gewichten und einer Gummimatte auf dem Boden beherrscht, auf der Cindy in diesem Augenblick auf dem Rücken liegt, Brust und Beine vom Boden abgehoben, während sie zu der Musik, die aus dem Fernseher kommt, fieberhaft Sit-ups absolviert. Sie trägt Spandex-Shorts und einen Sport-BH, das Haar ist mit einem Halstuch zusammengebunden, und ihr Gesicht ist von der Anstrengung gerötet und verschwitzt.
»Hi, Cindy«, sage ich von der Treppe. Sie setzt nicht einen Takt in ihrer Übung aus, sondern sieht nur zur Treppe und grunzt einen Gruß, offensichtlich ohne jede Verlegenheit, dass ich sie bei ihrem Training überrascht habe. Bei einem Körper wie dem ihren wäre eine solche Demonstration ohnehin eine lächerliche Verstellung. »Brad-ist-noch-nicht-zurück«, keucht sie, die Worte zwangsläufig abgehackt durch die Auf- und Abbewegungen, mit denen sie ihren Unterleib bearbeitet, der so durchtrainiert ist wie in den Werbesendungen. Sie kann nur beim Ausatmen sprechen, jedes Mal, wenn sie hochkommt. Sie betreibt ihr Training mit einer manischen Energie, die die Grenze zwischen harter Disziplin und Verzweiflung zu überschreiten scheint, und gegen meinen Instinkt empfinde ich einen Schwall mitleidvoller Wärme für meine Schwägerin, das Gefühl, dass sie unter ihrer Verbitterung nur ein verwirrtes junges Mädchen ist, das gar nicht begreifen kann, was in ihrem Leben eigentlich schief gelaufen ist.
»Brad arbeitet noch so spät?«, frage ich, wobei ich meine Blicke offen durch den Raum schweifen lasse, um mein völliges Desinteresse an ihrer schimmernden Vollkommenheit zu bekunden.
»Nein«, keucht sie, wobei sie jetzt eine Links-rechts-Drehung in ihre Situps mit einbezieht und noch eine Muskelpartie ihres schlanken Oberkörpers getrennt bearbeitet. »Vögelt-seine-Kellnerin.«
»Wie bitte?«
»Du-hast-mich-gehör t.«
Sie beendet ihre Übung und wirft sich auf der Matte herum, die Hände auf den Boden gepresst, während sie ihren Oberkörper hebt und den Rücken durchdrückt, um ihren flachen Bauch zu strecken. »Bist du sicher?«, frage ich leise.
»In einer Kleinstadt gibt es keine Geheimnisse. Alles ist bekannt; die Frage ist nur, worüber die Leute zu reden bereit sind.«
Ich weiß nicht, ob es ihre beiläufige Enthüllung von Brads Untreue oder die Verzerrungen ihres unglaublichen Körpers sind, die mich aus dem Gleichgewicht werfen, aber wie auch immer, ich benötige einen Takt länger, bis ich begreife, dass sie soeben die ersten Zeilen aus Bush Falls zitiert hat.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, sage ich.
Sie steht auf und schüttelt die Arme und Beine aus. »Willkommen im Klub«, sagt sie. »Kannst du mir mit der Matte helfen?«
Ich helfe ihr, die Matte zusammenzulegen und gegen die Tür zu lehnen. Dann tritt sie in einen kleinen Alkoven mit einer Waschmaschine und einem Trockner und zieht zu meiner völligen Verblüffung ihren Sport-BH und die Shorts aus. »Das macht er schon seit einer ganzen Weile, glaube ich«, sagt sie in einem nüchternen Tonfall, während sie ihre schweißdurchnässten Sachen in die Waschmaschine wirft und einen Tropfen Waschmittel einfüllt. »Nicht, dass er es zugeben würde.«
»Na ja, vielleicht stimmt es nicht«, sage ich in der Hoffnung, dass meine Stimme die momentane Panik, die ihre unbekümmerte Nacktheit in mir ausgelöst hat, nicht verrät. Soll ich hier verführt werden? Ist das ihre Art, sich an Brad zu rächen - indem sie es in ihrem Keller bei seinem Bruder versucht? Ich schäme mich über die kurz aufflackernde Erregung, die ich unter meinem Entsetzen angesichts dieser Möglichkeit verspüre. Sie wendet sich von der Maschine zu mir um. »Es stimmt«, sagt sie leise.
Mit der unverhohlenen Nacktheit meiner Schwägerin konfrontiert, wende ich den Blick rasch ab und auf die mit Postern behängten Wände. »Es ist schon okay«, sagt sie und lächelt zynisch über mein Unbehagen. »Ich trainiere diesen Körper verdammt hart; dann sollte ihn auch jemand sehen.«
Es geht also nicht um Verführung, sondern um schlichten Exhibitionismus. Ich bin erleichtert und zugleich ein klein wenig ernüchtert, als es mir bewusst wird. »Das mag schon sein«, sage ich und wende mich wieder um, um ihren Blick zu erwidern. »Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht dieser Jemand bin.«
Cindy betrachtet mich einen Augenblick, dann zuckt sie
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